Voodoochile Rotating Header Image

March, 2015:

Weiße Weihnachten in Grenada

…zumindest am Strand

Die Überfahrt von Trinidad bis zur Prickly Bay von Grenada ist durchwachsen. Schwachwind und 30-Knoten-Squalls beschäftigen uns und wir werden öfter mal sehr nass. Am schlimmsten ist aber, dass Werner und Elke mit ihrem alten Fastnet-Racer so schnell sind und uns glatt drei Stunden auf diesem Stückchen abnehmen. Verdammt, wieviel Segel läßt der alte Captain eigentlich stehen?

Bei der Ankunft in der Bucht kommt uns alles eigenartig vertraut vor, fast heimatlich. Vor allem einige bekannte Boote und Gesichter. Z.B. die “SPICA” mit Christiane und Norbert, sowie auch einige neue Gestalten. Am Weihnachtsabend, eine Stunde, bevor wir alles für die geplante Weihnachtsparty mit dem Dinghi an den Strand schleppen, läuft auch noch Thomas und Andi mit der schönen Ketsch “Enya”, unmittelbar nach ihrer Atlantiküberquerung via Barbados, ein. Appreciate and merry Christmas – coole Überraschung!

Gleich nachdem sie angebunden sind und “Enya” versorgt haben, fahren wir (alle irgendwie deutschsprachigen) mit unseren Beibooten an Land, beladen mit Camping-Klumpert, Speis und Trank, CD-Player und Durst. Auch ein kleiner Weihnachtsbaum kommt mit. Uli und die anderen Seefrauen haben sich organisatorisch und kochtechnisch wieder einmal selbst übertroffen. Wie üblich bringt jeder was mit und es wird ein gelungener Abend, weniger besinnlich als normalerweise, aber doch im guten Gefühl, unter Freunden zu sein. Wahrscheinlich denken alle ein bisschen an zu Hause.

 

Unsere besonders lieben kärntner Freunde Martina und Dietmar, die wir seit den Kapverden immer wieder verpaßt haben, und die hier mit ihrer wunderschönen “Maona Loa” praktisch gestrandet sind und seit Monaten (!) auf ihren neuen Motor warten, erzählen von ihren Abenteuern. Offenbar ist das Vertriebsnetz der an sich renommierten Firma Yanmar doch einigermaßen löchrig. Sie sind inzwischen sogar Opfer eines Internet-Betruges geworden. Alle bedauern sie zutiefst und hoffen, dass sich das bald regelt und dass sich unsere Kurse bald wieder kreuzen. Fair winds der tapferen Crew!

Da wir schon in früheren Beiträgen von Grenada berichtet haben, wollen wir hier nicht allzuviel wiederholen, sondern eher nur ein paar Bilder nachschicken. Bei Spaziergängen über die Hügel der Umgebung, mit ihren eleganten Villenvierteln, finden wir heraus, dass doch einige Leute hier ordentlich investiert haben. Sogar Botschaftsgebäude der USA und von Kuba befinden sich hinter den hohen Mauern und in gepflegten Gärten.

 

Im Gegensatz zum letzten Mal präsentiert sich die Insel aber jetzt, nach dem Ende der feuchten Jahreszeit, in frischem Grün. Alles blüht!

 

Der vergangene Sommer brachte der Karibik “nur” vier Wirbelstürme, alle “nur” Kategorie drei. Glücklicherweise ist keiner über Grenada gezogen, aber einer davon  hat auf der Insel Sint Maarten, von allen anderen Schäden einmal abgesehen, immerhin fast 200 Yachten zerschmettert. Außerdem haben sich alle vier erst kurz vor den Azoren aufgelöst. Die Insulaner sehen dieser Gefahr jeden Sommer eher gelassen entgegen, vielleicht wie in Österreich manche Bergbauern den Lawinen oder Siedler in Überschwemmungsgebieten manchmal der Donau, aber es muß trotzdem ein mulmiges Gefühl sein. Hurricanes treten selten so weit südlich auf, aber der Sturm “Ivan” hat 2004 fast ein Drittel aller Gebäude von Grenada beschädigt. Laut Gesetz kann sich angeblich jeder Bewohner von Grenada überall auf öffentlichem Boden – ohne Besitzer zu sein – eine Hütte bauen, sofern diese keine massiven Fundamente und Mauern hat. Man geht, fast etwas zynisch, davon aus, dass der nächste Hurricane das wieder bereinigt. Will man solide bauen, muss man sich den Boden allerdings kaufen.

Jetzt kommt bald unsere neue “alte” Crew und wir freuen uns schon sehr

Liebe Grüße inzwischen Euch allen, wir bleiben in Kontakt

Uli & Peer

 

Lang, lang ist’s her

…und natürlich wird’s wieder ein Rückblick

Guadeloupe, Hafen von Pointe à Pitre, Mitte März 2015

Vielleicht hat es ja auch Vorteile, dass wir die folgenden Updates mangels akzeptablem Internet, aber vielleicht auch, weil wir immer wieder abgelenkt wurden, solange aufgeschoben haben. Vielleicht gelingt es mir, die Berichte etwas zu straffen und die Erlebnisse mit mehr Abstand zu betrachten. Es hat sich in der zu rasch verfliegenden Zeit viel ereignet.

Im Augenblick sind wir hier auf Guadeloupe, versuchen, uns an die letzten vier Monate zu erinnern und sortieren einige repräsentative Bilder aus tausenden anderen aus.

Der Abschied von Graz mit übervollem Gepäck, die schöne, etwas wehmütige Zugfahrt über den herbstlichen Semmering, letzte wunderbare Stunden mit Freunden in Klosterneuburg – alles schon Geschichte. Auch die mühsamen Flüge danach. Egyd Gstättner sagt:” Ein Flug ist keine Reise, sondern die Überbrückung einer Reise”. Dem ist nichts hinzuzufügen, es ist einfach nicht unser Reisetempo.

Die Ankunft in Port of Spain reißt uns sofort wieder aus diesem Film. 32° Hitze in der Nacht, Menschenschlangen und Ärger beim Zoll, keine Taxis. Wir kommen schließlich ziemlich erledigt bei unserer braven Voodoochile an und stellen erleichtert fest, dass sie in der langen Wartezeit auch ohne unsere Pflege ganz gut zurechtgekommen ist. Einige Teile aus spanischem “Qualitätssperrholz” an Deck sind verfault, und auch der feine Lederbezug des Steuerrades ist vergammelt, aber innen ist sie trocken und nicht stinkig, und offenbar hat sie auch kein Tropensturm durchgeschüttelt.

Ist man das Klima hier nicht gewohnt, so bringt es einen fast um; heiß, feucht, immer wieder Regen und Mosquitos. Wie viele andere mieten wir eine Klimaanlage, die, am Dach montiert, Erleichterung bringt. Draußen kann man nur frühmorgens und am Abend arbeiten. Wir orientieren uns, organisieren Professionisten für die wenigen Reparaturen, die wir nicht selber machen können und schauen uns um, wer von unseren Freunden auch schon hier ist. Da sind Brigitta und Horst von der “Sapphire”, die mit Geduld in der Hitze werkeln, Debbie und Luc mit ihrer “Plucky Lady”, die mit ernsten gesundheitlichen Problemen Kämpfen und vor allem endlich wieder Elke und Werner mit der “Naja” – eine Riesenfreude! Alle sind mit Problemen und Problemchen ihrer geliebten schwimmenden Schneckenhäuser beschäftigt und wollen schnellstmöglich hier weg.

Das ist eigentlich nicht fair. Sicher, Trinidad ist keine klassische Ferieninsel; sie ist groß, hat rund eine Million Einwohner, viele Probleme und der Tourismus steht nicht im Vordergrund. Die Marinas sind eingezäunt und durch (oft schlafende) Guards “streng” bewacht und wir werden mehrfach vor Überfällen gewarnt. Emotionen gehen oft hoch, von ausgelassener Freude bis zu erschreckender Gewaltbereitschaft. Im Kino sehen wir in einem guten Dokumentarfilm, eigentlich über die Entwicklung der hier in den 20er-Jahren entstandenen Steel-Pans (typische Trommeln aus Ölfässern), dass Kriminalität und Gewalt die Gesellschaft latent beeinträchtigen und schon bei Kindern fast normal sind. Als Frau kann man sich allein nur mit ungutem Gefühl frei bewegen.

Andererseits fällt auf, dass die Toleranz zwischen den vielen ethnischen und vor allem religiösen Gruppen außergewöhnlich hoch ist. Durch einstige Zwangsübersiedlungen von tausenden Menschen durch die Briten aus der Kolonie Indien hierher ist eine große hinduistische Gemeinde entstanden, die hier ungestört ihre Kultur leben und Religion ausüben kann, noch dazu ohne das zuvor übliche Kastenwesen.

 

Zu uns sind die Leute lieb. Es wird viel gelacht, wir bekommen viele gutgemeinte, aber falsche Auskünfte, das Leben ist relativ billig. Weniger toll ist, dass man uns Yachties grundsätzlich für Millionäre hält, die man möglichst über den Tisch ziehen muss, teilweise nicht sehr subtil. Ein typisches Schwellenland, mit allen Vor- und Nachteilen.

Neben unserem Arbeitsprogramm fahren wir mit einem klapprigen Leihwagen auf der englisch-falschen Straßenseite zu manch schönem Ort. Ehemalige tolle Pflanzungen, die jetzt zu Schaugärten und Naturschutzgebieten geworden sind, viele belebte Märkte mit Volksfeststimmung, Wasserfälle ohne Wasser, ein Konzert mit Gesangsvorträgen von Musikstudenten, bei dem man uns als Europäer wie Maharadschas öffentlich begrüßt, ein sehr professioneller Bosch-Dienst, wo man uns mit Kaffee bewirtet und uns eigens den Fernseher einschaltet, ein besonders freundlicher Empfang in einem Hindu-Tempel, und viele andere Kuriositäten haben uns Trinidad sehr viel näher gebracht. Auch hier gilt, dass jeder Ort eine zweite Chance verdient und man einfach länger bleiben muss. Das Land ist wild und ürsprünglich, so anders als die kleinen Antillen, die sich weitgehend auf Touri-Parties spezialisiert haben.

 

Wir wurschteln also alle an unseren Booten, werden tagelang von “Profis” bezüglich geplanter Termine vertröstet, bekommen die versprochenen Materialien nicht und sind trotzdem meist guter Dinge. Sehr verbreitet ist hier auch Dengue- und Chikungunyafieber, ziemlich ernste, von Mosquitos übertragene Infektionen mit starken, grippeähnlichen Symptomen. Viele erwischt’s. Ganz besonders leider auch Werner, der tagelang außer Gefecht ist. Außerdem fallen jetzt – wie bei den meisten Kollegen – die lange erwarteten Kakerlaken über uns herein. Sie tun niemandem was und sind eigentlich ganz freundlich, aber wenn’s im ganzen Boot schließlich nur mehr so wuselt….?  Es hat lange gedauert, bis wir sie wieder losgeworden sind!

 

Nur mehr wenige Tage bis Weihnachten, also dranbleiben und weiterschwitzen.

Ich liege unterm Boot, schweißtriefend und dreckig, schleife altes Antifouling mit der Flex ab, daneben ein Brite unter seinem Fahrzeug bei derselben Arbeit:
Ich zu ihm: “well, another day in paradise!”
Er zurück: “sure, we’re living our dreams!”

Irgendwann wird Voodoochile wieder ins Wasser geworfen (leider nicht ganz fit, wie sich später herausstellen wird) und tags darauf machen wir gemeinsam mit “Naja” die Leinen los. In der Abenddämmerung laufen wir durchs Nadelöhr wieder ins offene Meer hinaus und freuen uns auf die vielen Freunde, die uns in Grenada zu Weihnachten erwarten.

Bis gleich und liebe Grüße an alle

Uli & Peer