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June, 2015:

Erste Eindrücke

…von diesen sympathischen Gipfeln des mittelatlantischen Höhenrückens

Nach dem kurzen, turbulenten Aufenthalt in Horta/Faial, wo wir noch einige interessante Geschichten von anderen Seglern hören, der Schülercrew auf dem großen schwedischen Rahsegler “Gunilla” bei ihrer Arbeit in der Takelage zuschauen und Xandi einen Schnellsiederkurs bei einem Drechsler besucht, motoren wir bei Flaute die 70 Meilen nach Angra do Heroismo auf Terceira, vorbei an der Insel Pico, mit dem gleichnamigen eindrucksvollen, über 2000 m hohen Vulkan, und entlang der grünen Südküste von Sao Jorge, mit ihren schönen Wasserfällen. Das Meer ist spiegelglatt, nur von Delphinen (mit Babies!), Schildkröten und leider etwas Müll unterbrochen.

 

Ehrlich gesagt möchte ich jetzt schon gerne einmal wo ankommen und dort auch für einige Zeit bleiben. Es dauert aber noch ein bisschen, von der langen Überfahrt “umzuschalten”.

Im kleinen Hafen von Angra, übrigens UNESCO-Weltkulturerbe, werden wir aufs Freundlichste empfangen und bekommen einen der letzten Plätze zugewiesen, wo wir millimetergenau einparken müssen. Nachdem wir ausgeschlafen sind, checken wir bald einmal die nähere Umgebung, vor allem die malerische Altstadt, den hübschen botanischen Garten und ein paar Kneipen. In einer davon werden wir, als unkomplizierte Gäste, von den dort improvisierenden Schwestern (eine mit Alkoholproblem, die andere eine US/Kanada-Rückkehrerin, die den 80jährigen Papa, der heute zu müde ist, beim Kochen und im Service vertreten) praktisch adoptiert und hören so schon einige schräge Stories über die Inseln. Xandi fliegt schon bald wieder nach Hause und Armin opfert seine letzten Urlaubstage hier, um das Boot von allen häßlichen Rostfahnen zu befreien, die ihm ein Dorn im Auge sind. Dann muß auch er wieder nach Europa. Ich vermisse diese Crew!

 

Auf Voodoochile ist es jetzt sehr still geworden. Zumindest vorübergehend, wie sich später zeigen wird. Bei einem Bier mache ich einen persönlichen “Reset” und versuche, die Dinge neu zu ordnen. Es gibt genug zu tun, aber auch genug Zeit dafür; also schön langsam…

Wenn Uli wieder da ist, werden wir uns die hiesigen Sehenswürdigkeiten vorknöpfen, uns in die bewegte Geschichte des Landes einlesen und auch versuchen, zumindest ein paar Worte Portugiesisch zu lernen.

Der ziemlich ausgedehnte Archipel der Azoren befindet sich grob 800 Meilen westlich von Portugal; neun Gipfel von gewaltigen unterseeischen Gebirgen bilden die Inseln Santa Maria, Sao Miguel, Terceira, Graciosa, Pico, Sao Jorge, Faial, Flores und Corvo, die bei uns wenig bekannt sind, da sie aufgrund ihrer wilden Küsten und der relativ niedrigen Wassertemperatur des Nordatlantiks als Badedestination kaum in Frage kommen. Gut so! Es gibt so viele andere tolle Dinge hier, das kann ich selbst nach der kurzen Zeit schon sagen. Etliche Besucher kommen genau deswegen hierher, und nicht nur transatlantische Yachties. Auch die extrem niedrigen Lebenserhaltungskosten sind natürlich attraktiv.

Kurz: der Unterschied zu den Antillen könnte nicht größer sein! Die Leute sind geradezu herzlich zu Fremden (waren sie in der Karibik zugegebenermaßen größtenteils auch, läßt man den dortigen Volkssport von “fuck the gringos” mal außer Acht), die Gegend ist sicher (man kann das Boot offen lassen), die Orte und auch die Landschaft sind blitzsauber (weit mehr als in Österreich; hier findet man kein Papierl neben der Straße), sogar die Kühe sprechen gutes Englisch (zuindest auf Terceira), das Klima ist wie bei uns (nur ohne Winter) und es gibt kaum Mosquitos. Leider ist das Wasser kühl und es gibt kaum sichere Ankerplätze. Stimmt schon – ich bin hier nicht sehr objektiv, aber ich habe von der karibischen, oberflächlichen Dauerparty einfach schon genug. Übrigens behaupten alle anderen Segler hier von sich dasselbe.

Wir werden in den nächsten Monaten ja sehen, ob’s dabei bleibt.

Terceira war seinerzeit einer der wichtigsten Häfen im Nordatlantik, zuerst für die spanischen Galeonen mit ihren Goldtransporten, später bunkerten die ersten Dampfer hier Kohle, und im zweiten Weltkrieg tankten die Alliierten hier ihre Flieger auf. Bis heute gibt es das berühmte “Lajes-Airfield”, einen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt, der jetzt hauptsächlich als Zivilflughafen genutzt wird. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist der jetzige US-Präsident ja weniger davon überzeugt, dass Amerika demnächst von den Europäern oder anderen Schurken überfallen und vernichtet werden wird. Er will daher diesen Stützpunkt schließen oder die Truppenstärke zumindest reduzieren, was von der Bevölkerung auf Terceira sehr bedauert wird, denn dadurch gingen schon 400 Jobs für sie verloren. Man muss auch anerkennen, dass die Amis, nachdem Angra bei einem katastrophalen Erdbeben im Jänner 1980 weitgehend zerstört worden war, großzügig finanziell mithalfen, alles wieder aufzubauen.

Bezüglich der Stille muß ich allerdings mittlerweile einiges revidieren: man feiert zurzeit zehn Tage lang das Fest von “San Joaninas”, mit wunderbaren Prozessionen in der Altstadt, aber auch mit extrem lauten Bands aller Richtungen, auf einer Bühne direkt neben der Marina. Der Sound beginnt immer kurz nach Mitternacht und dauert etwa bis 0400. Die letzten beschwingten Gäste der vielen Standl’n bewegen sich erst heim, wenn’s hell ist. Aber zumindest wird kein Soca gespielt, sondern guter, alter Rock ‘n Roll, House und auch portugiesische Volkslieder.

 

VC’s Photografin ist ja noch nicht hier, daher gibt’s zur Überbrückung nur ein paar geschnorrte Bilder. Wird sich bald wieder ändern.

Liebe Grüße inzwischen an alle

Peer

 

done!!!

…transatlantik von West nach Ost

 

Was man dafür benötigt: angemessenen Respekt und doch den Wunsch, es zu tun, etwas gelerntes Handwerk, möglichst akribische, ja fast pedantische Vorbereitung, Vertrauen ins Boot, die Bereitschaft zu wenig Schlaf, Geduld und Demut, sowie eine Crew, auf die man sich nach jeder Freiwache freut.

In diesem Fall waren das Xandi, den Ihr ja schon kennengelernt habt, mit dem mich jetzt eine schon 45jährige (shit!) Freundschaft verbindet, und der – zu unserem Glück – sehr gerne einmal die Erfahrung einer langen Seereise machen wollte. Es war schön, seine Freude an der scheinbar grenzenlosen Natur zu beobachten, die täglich von ihm unter manchmal schwierigen Bedingungen zubereiteten Mahlzeiten zu genießen und zu erleben, wie weit er sich auf andere Menschen einläßt.

Und dann war da meine erste persönliche Begegnung mit Armin aus Südtirol, ein jahrelanger Email-Freund, ein Profi-Skipper, der normalerweise unter wesentlich härteren Bedingungen (winterliche Biskaya) segelt, zigtausend Meilen auf dem Buckel hat und neben seiner Kompetenz immer Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Bescheidenheit eingebracht hat, auch wenn er in manchen Fällen etwas mehr Segeltuch als von mir verordnet stehen gelassen hätte…

 

Das Ganze war also schon halb gewonnen, nur der Abschied von Martina, Dietmar, Brigitta und Horst bei einem wunderbaren Abendessen auf der “Mauna Loa” war natürlich traurig.

Zuerst segeln wir rund 800 Meilen nach Norden, fast bis zur Insel Bermuda, um aus dem Passatgürtel herauszukommen; danach können wir auf Ostkurs gehen und kommen auch recht gut voran.

 

Wir begegnen einigen Yachten, die teilweise sportlich segeln oder auch nur in der großen Dünung schaukeln. Mit allen haben wir zur gegenseitigen Freude Funkkontakt, auch mit einigen großen Frachtern. Als das Prepaid-Guthaben unseres von Erich (danke!) ausgeborgten Satelliten-Telephons, mit dem wir unterwegs von Uli, Lucas und Heinz aus Österreich Wetterberichte bekommen, ohne große Vorwarnung zu Ende geht, hilft uns auch die Berufsschiffahrt aus: Kapitän Oleg Grebelny vom Tanker “Energy Pride” schickt auf unsere Bitte sofort ein Email an Uli, damit sie Bescheid weiß und unser Sat-Konto wieder aufstocken kann. At this place many thanks to the crew of M/V Energy Pride for the kind support – always fair winds!

Neben unglaublichen Sonnenauf- und Untergängen bereiten uns vor allem die vielen Begegnungen mit Walen und Delphinen jeder Größe richtige Freude. Schön, dass es offensichtlich doch noch eine große Zahl davon im Atlantik gibt – nicht nur Portugiesische Galeeren und sonstige Quallen.

 

Die tägliche Routine mit naturgemäß etwas Schlafmangel läßt die Tage schnell vergehen, wir tratschen, blödeln, essen gut und beobachten jede einzelne Wolke, aus der eine Regenbö werden könnte. Zweimal zieht eine Front (oder etwas Ähnliches) über uns drüber, einmal für mehrere Stunden mit bis zu 30 Knoten Wind, einmal – ganz kurz – sogar in Sturmstärke, wobei unsere brave Vodoochile sogar eine Patenthalse hinnehmen muß, da die Bö uns so schnell von der Seite überfällt, dass wir den Autopiloten nicht rasch genug ausschalten können. Anyway, sie hat’s weggesteckt und wir auch. Ohnehin sind wir die ganze Strecke ja unter sehr wenig Tuch und ziemlich langsam gelaufen, da unsere betagte Genua bereits Auflösungserscheinungen zeigt.

Gegen Anfang der dritten Woche kommt plötzlich moderater Ostwind auf, in dem wir in dreieinhalb Tagen nicht mehr als 40 Meilen aufs Ziel machen (nach anfänglichem Etmal, also der gesegelten Strecke von einem Mittag zum nächsten, von über 170 Meilen). “Mit Gewalt zur Geduld zwingen” ist das Motto.

Landfall nach 24 Tagen und nach ca. 2600 Meilen! Xandi, der noch ziemlich verschlafen am Morgen an Deck kommt, sieht die Umrisse der Insel Faial zuerst auf der dunstigen Kimm. Gegen 3 Uhr in der Früh liegen wir schließlich am Tankstellen-Dock in Horta. Trotz Müdigkeit und Landkrankheit gehen wir – nachdem Voodoochile erstversorgt ist – doch gleich noch in “Peter’s Cafe Sport”, ein weltberühmter Seglertreffpunkt. Dort herrscht trotz der frühen Morgenstunde noch ein Riesenauflauf der Inseljugend und natürlich von vielen Seglern, über die ganze Straße verteilt, und ein ziemlich guter Gitarrist spielt von Punk bis Rock’n Roll. Interessanterweise hören wir gleich eine coole Version von “Voodoochile”!!! Wir trinken jeder drei Biere. Für mich ist das an diesem Abend etwas zuviel…

 

Unterwegs haben wir erstaunlich wenig philosophiert, aber jeder von uns hat sich natürlich während seiner langen Wachstunden Gedanken über alles Mögliche gemacht, oft auch über zu Hause, die Familie und den Partner, den er vermisst.

Eher ausnahmsweise und ganz facebook-mäßig werde ich mich jetzt einmal weit aus dem Fenster lehnen:

Beim stundenlangen Betrachten des Meeres ist mir aufgefallen, wie dieses in vielerlei Hinsicht meiner Beziehung zu Uli gleicht. An der Oberfläche sieht man die unstete Windsee, oft kabbelig und durcheinander, manchmal freundlich gekreuselt und manchmal auch zu wilden Pyramiden aufgetürmt. Darunter aber liegt die mächtige Dünung aus Westen, die auf ihrer langen Reise schon so viel erlebt hat. Das ist unsere tiefe Verbundenheit und Liebe. Obrigado! (Danke auch dafür, dass Du während dieser Zeit Deine eigenen Sorgen zurückgestellt und immer versucht hast, uns via Satellit anzufeuern!).

Im Augenblick liegen wir im Hafen von Angra do Heroismo auf der Insel Terceira (Azoren natürlich). Die Menschen sind ausgesprochen freundlich, das portugiesische Stadtbild ist pittoresk und die Insel ist sauberer als Österreich.

Weitere Berichte gibt’s bald, nachdem wir eingerichtet sind.

Liebe Grüße an alle

Peer