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July, 2016:

aus der untersten Schublade

…kam dieses Frühjahr das Wetter und vor Allem der Wahlkampf

Schon im Landeanflug wird klar, dass die schlechten Wetterberichte der letzten Wochen nicht übertrieben gewesen sind. Wind, Nebel, fast täglich Regen und Temperaturen deutlich unter 20 °C schlagen sich nach einiger Zeit nicht nur bei den Terceirern, sondern bald auch bei uns aufs Gemüt. Wir holen unser Auto, das ein bisschen salzverkrustet dreinschaut, vom rechtzeitig angekommenen Dampfschiff ab und üben uns danach in Geduld. Baden? No way!

Wie immer werden wir rundum freundlich begrüßt, aber der erste Anblick unseres stolzen Schiffchens ist durchaus ernüchternd: rostige Püttings aufgrund der extremen Luftfeuchtigkeit, viel Vogeldreck wegen der unzähligen Flieger, die in der nahen hohen Festungsmauer nisten, und auch sonst etwas trostloses Ambiente. What shall’s! Wir kaufen neue Overalls, schleifen das halbe Boot ab und streichen die teuren Zweikomponenten-Lacke manchmal doppelt, wenn es uns in den ersten mühsam erkämpften Anstrich reingeregnet hat.

Neben dem bekannten Hurrikan “Alex”, der im Jänner mit eher glimpflichem Ausgang über die Insel gezogen ist, hat vor Allem ein Dezembersturm hier gewütet. Man berichtet von neun Meter hohen Wellen in der Bucht, weggerissener Tankstelle, zerstörten Schwimmpontons und eingeschlagenen Fenstern im Hafenbüro. Unsere Schäden sind vergleichsweise harmlos, aber Arbeit gibt’s genug.

Irgendwann glänzt “Voodoochile” aber wieder wie neu, alle grauslichen Roststreifen sind entfernt, Auspuffe wieder mal geschweißt, Sprayhood geflickt und neues Giftzeug auf den Unterbauch geschmiert. Uli putzt, flickt, malt und versucht täglich, die elenden Vögel mit dem Gartenschlauch zu vertreiben. Ohne jeglichen Erfolg.

Aber selbst die schlimmsten Guano-Haufen oder Rostflecken frustrieren nicht annähernd so sehr wie der heimatliche Wahlkampf, den wir natürlich im Netz verfolgen. Wir sind einigermaßen fassungslos über den Ton und schlußendlich auch über das knappe Ergebnis. Menschen vieler Nationen rund um uns fragen, was da in Österreich derzeit abläuft. Für uns, die wir ja die meiste Zeit des Jahres irgendwo Ausländer sind, ist die Enge der Sicht von fast halb Österreich völlig unverständlich. So schön, sicher und wohlhabend unser Heimat auch sein möge – es ist einfach trotzdem ein winziges Land und dessen Bedeutung eher symbolisch. Denkt man an die Tausenden, die bereits auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken sind oder anderswo laufend gequält, bedroht und getötet werden, so ist unser “Tellerrand”, über den wir nicht hinauszudenken in der Lage sind, einfach zu klein.

Auf keinen Fall möchte ich hier mißverstanden werden: selbstverständlich ist uns allen bewußt, dass es in Österreich Armut, Ungerechtigkeit, Probleme mit dem Aufeinanderprallen von Kulturen, Korruption und auch Gewalt gibt; durchaus Raum für Verbesserungen!

Aber so?

Die dringendste Aufgabe muss jetzt für alle Medien, Schulen, Intellektuelle oder einfach Menschen mit Hausverstand sein, irgendeine Möglichkeit der vernünftigen Kommunikation mit den vielen ausgenützten, manipulierten und irregeleiteten Menschen im Land zu finden; man muss doch die Zusammenhänge irgendwie erklären können! (Mir ist übrigens dazu noch keine wirkliche Lösung eingefallen). Schon länger werden wir von der Gier, dem Raubtierkapitalismus, und den – trotz Allem – naiven, manipulierten Terroristen in die Zange genommen. Zu verstehen, dass die Machtgeilheit einiger gefährlicher Populisten in Österreich nur ein weiteres Glied in dieser unsäglichen Kette darstellt, ist bestimmt keine Doktorarbeit.

Laßt uns also dranbleiben und Anfang Oktober noch einmal für unsere Freiheit kämpfen!

Damit’s nicht nur um Katastrophen geht: kurz vor dem Morgen ist die Nacht am finstersten! Auch der Regen macht manchmal Pause und wir feiern das mit Grillabenden in der Werft. Die Britin Barbara mit ihrer schwimmenden Katastrophe “Turtle”, deren weiblicher südafrikanischer Bootsmann Nicoletta, die Holländer Birgit und Daniel von der schönen “Synergie”, der (später leider mit Wirbelbruch im Spital gelandete) türkisch-britische Hikmet mit seinem lieben Hund Mischa und seinem betagten Boot “Taka Tuka”, Alain aus Kanada mit seiner antiseptischen “Solaise” und auch Andere machen gemeinsam mit uns das Beste draus.

Uli hat ja jetzt ein Auto und knüpft daher erste Kontakte mit der hiesigen kleinen Golfer-Community. Sie wird zu mehr als fairen Bedingungen Clubmitglied und erspielt sich sogar ihr erstes Handycap!

Interessant war auch die Einladung der portugiesischen Marine auf die “Figueira da Foz”, ein kleines Schiff von 2000 Tonnen, das hauptsächlich für Seenotrettung, Zollkontrollen oder auch Forschungs- bzw. Vermessungsaufgaben eingesetzt wird. Auch wenn es praktisch keine Seekarten gibt und der – immerhin vorhandene – Magnetkompass kaum ablesbar ist, so ist der junge PR-Offizier äußerst liebenswürdig und läßt uns überraschenderweise wirklich überall reinschauen.

Mitte Juni bessert sich schließlich das Wetter etwas und seitens der Behörde wird mit sofortiger Wirkung “hemmungsloses Feiern” verordnet. Zuerst wieder einmal ein Stierkampf (natürlich nur an der Leine); diesmal praktischerweise gleich bei uns im Werftgelände.

Seit Längerem verfolgen wir ja aus der Ferne auch die Reise unseres Freundes “Doc” Robert, der mit seiner “Loona” eine ganz schnelle Atlantikrunde macht (https://sailingloona.wordpress.com/). Und zwar einhand!

Bei Ankunft auf den Azoren, nach einer schnellen und glücklichen Überfahrt von der Karibik, erwartet er hier sehnlichst seine Vera und wir verbringen einige sehr schöne Tage gemeinsam. Alltime Fair Winds Euch beiden an dieser Stelle!

Die zweite von uns schon dringend erwartete Crew ist die der “Mauna Loa” (https://maunaloasailing.wordpress.com/). Vielleicht erinnert Ihr Euch ja noch, die beiden tapferen Kärntner Martina und Dietmar, auf der Rückreise nach Europa, das sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen haben. Es ist schön, ihre Leinen zu übernehmen! Unterwegs hatten wir ja schon laufend Kontakt per Kurzwelle, in Sachen Wetter und auch – völlig unqualifizierter Weise meinerseits – in Sachen Fußballergebnissen. Apropos Fußball: dass Benfica Lissabon portugiesischer Meister wird, wird nur ein, zwei Nächte lang auf den Straßen gefeiert. Dass Portugal aber schließlich die EM gewinnt, bringt das Inselchen nun zum Kochen. Schwierig für uns, für unsere lieben französichen Freunde und gleichzeitig für Portugal zu brüllen, aber hier in Angra toleriert man alles Internationale mit Augenzwinkern. Was dieser Titel bedeuten wird, wenn nach den verrückten (alten!) Briten noch andere Länder wieder in die Steinzeit zurückwollen, steht in den Sternen. Vielleicht hat er dann ja noch nostalgischen Wert…

Die Abendessen auf der “Mauna Loa” sind ja schon im ganzen Nordatlantik berühmt, und meistens wird aus dem “letzten” Drink ein  Vorletzter. Es freut uns sehr, dass den Beiden unsere neuen Inseln auch gefallen, und wir verbringen eine großartige Zeit mit vielen karibischen Erinnerungen. Herzlichen Dank an Euch treue Freunde!

Es hat auch sein Gutes, wenn wir diesmal erst recht spät ins Wasser kommen, denn in der Werft sind wir während des San-Joaninas-Festivals etwas weiter vom musikalischen Epizentrum entfernt. Wie berichtet geht der Lärm zu dieser Zeit ja für zehn Tage und Nächte wirklich an die Schmerzgrenze. So können wir dieses an sich so sympathische Fest in kleineren Dosen zu uns nehmen.

Für Portugal war’s trotz des Scheißwetters also ein glücklicher Frühling; für die Azorer genauso, auch wenn die mit Portugal nicht wirklich was am Hut haben, es sei denn, man spielt Fußball….

Liebe Grüße an alle, wir bleiben in Kontakt

Uli & Peer

holpriger Neustart

…nach so langer Pause

Ponta Delgada, Insel Sao Miguel, Azoren, Ende Juli 2016

Diesmal weniger aus Faulheit oder aufgrund schlechter Internetverbindung. Eher wegen unserer (meiner) nur halbherzigen Überzeugung, dass es notwendig sei, Euch alle laufend mit Berichten über unsere Befindlichkeit zu bombardieren. Ihr würdet nicht glauben, wie wenig abenteuerlich unser Leben die meiste Zeit ist. Keine Rede von Stürmen, einsamen Inseln, Piraten und Überlebenskämpfen. In Sachen Boot geht’s hauptsächlich um lästige Instandhaltung, um zu knappes Budget und andere Belanglosigkeiten, wie bei den meisten anderen “Wassercampern” auch. Wenig berichtenswert, auch wenn behauptet wird, dass wir hier aus Sicht eines “normalen” Alltags etwas betriebsblind wären. Wir (ich) sind einfach zu wenig Segler, um das Abenteuer in der Nautik zu suchen. Viel wichtiger erscheint mir das Meer als solches, auch ohne Segelboote, und vor Allem die Begegnung mit Menschen aller Art – auch nicht zwangsläufig immer mit Seglern.

Trotzdem haben auch wir, wie viele unserer Kollegen, ein gewisses Mitteilungsbedürfnis und wollen – was am wichtigsten ist – den Kontakt zu Euch nicht verlieren.

Wie immer, zuerst ein bisschen Chronik:

Der wunderbar milde Winter in Graz hat uns viel Freude bereitet, aber auch durchgehend beschäftigt. Sofortige Jobsuche (Landleben mit europäischem Standard ist einfach zu teuer für uns; Uli muß wieder Bilder malen), frühlingshaftes Weihnachten mit der ganzen “Gang” auf der Tauplitz, Oma-Hüten, Wildnis roden und auf Anordnung der Behörde wieder aufforsten, gute Freunde endlich wieder besuchen, Neuigkeiten aufsaugen, Parties und Osterfeuer genießen, einen oft verschobenen Ausflug mit dem Bus nach Friaul und zu Debie und Armin nach Bozen machen, sowie natürlich auch etlichen Alltagskram erledigen. Klar, hier jammern wir über Dinge, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind, und auch für uns jahrzehntelang waren, aber trotzdem…

 

Am schönsten war vielleicht zu sehen, dass unser “Kibbutz” in Lahö eine phantastische Verjüngungskur durchgemacht hat. Rund um unsere Jungs und ihre Freundinnen ist eine großartige Gemeinde von ganz lieben jungen Menschen als Nachbarn bzw. Mitbewohnern entstanden. Sogar Babies sind dabei!  Natürlich war die Stimmung auf dem “Werkstattplatz” schon immer fein, aber jetzt sorgt die nächste Generation dafür, dass sich Viele dort wohlfühlen. Danke Euch allen dafür!

 

Neu war auch das Thema Golf, das einen Großteil der Familie infiziert haben dürfte, und was für mich, als bekennenden Nichtsportler, nicht immer nachvollziehbar ist. Wie auch immer – “Schönes Spiel” allen Beteiligten! Ich habe mich eher um den Erhalt bedrohter VW-Bus-Arten gekümmert, und auch sonst in einigem Dreck gewühlt.

 

Irgendwann ist auch die Idee entstanden, nicht mit dem Flieger, sondern – soweit halt möglich – mit dem Auto auf die Azoren zu fahren. Vor allem aus logistischen Gründen, denn die Fracht für Bootsklumpert bzw. Lacke (Gefahrengut) ist teuer. Also einen kleinen fernöstlichen Totalschaden von Ulis Neffen zurechtbiegen und damit zu einer schlußendlich wunderschönen fünftägigen Fahrt nach Portugal aufbrechen.

 

Die zweitausendachthundert Kilometer lange Reise führt uns durch Norditalien nach San Remo, entlang der Cote d’Azur nach Marseille, durch die Provence nach Avignon und Nimes, am westlichen Löwengolf nach Carcassonne und entlang der Pyrennäen bis Biarritz an “unser Meer”, den Atlantik. Mit offenem Mund bestaunen wir den zur Schau gestellten Reichtum von Bilbao im Baskenland, die wunderbaren Strände um Santander, das Hochland und die riesigen Ebenen von Nordspanien, das geschichtsträchtige Salamanca (samt dortigen Dreharbeiten zu einer US-Soap) und erleben schließlich einige Unklarheiten hinsichtlich der Mautgepflogenheiten auf den portugiesischen Autobahnen. Übernachtet haben wir dank “booking.com” immer gut und günstig, von Motels bis zu ehemaligen Grand-Hotels.

Italien:

Marseille:

Provence:

Baskenland:

Spanien:

Portugal:

Der Hafen von Lissabon, von wo aus wir unsere blaue Krachmandel übers Meer verschicken wollten, liegt seit Monaten im Streik, aber schlußendlich finden wir einen “Streikbrecher” in Form einer kleinen Spedition mit ausgesprochen netten Mitarbeitern, die sich um den Fall kümmern. Nach wenigen Formalitäten (statt schriftlichen Bestätigungen für die Übernahme des Autos gibt’s einen Handschlag) unterhalten wir uns mit dem Geschäftsführer hauptsächlich über die Gitarristen in seiner Familie und über Jimi Hendrix.

Viel zu kurz bleiben wir noch in Aveiro und der grandiosen “Brückenstadt” Porto; dann, nach nächtlicher Hotelsuche in strömendem Regen in Lissabon, sitzen wir im Flieger nach Terceira, unserer jüngsten Wahlheimat. Dabei zeigt sich wieder einmal, wieviel man bei einer Reise am Boden vergleichsweise erlebt.

Jetzt sind wir aber schon gespannt, ob unser Boot die diesmal so heftigen Winterstürme gut überstanden hat, was es in Angra Neues gibt und wie es all unseren Freunden hier geht.

Liebe Grüße und bis gleich wieder

Uli & Peer