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April 21st, 2015:

Manch Pläne werden neu bewertet

Marigot Bay, Insel Saint Martin, Ende April 2015

 

Alle Fahrtensegler laufen irgendwann mit bestimmten Visionen von zu Hause aus, teilweise mit sehr ambitionierten Vorhaben, manchmal mit eher schrägen Ideen, aber fast immer mit bestimmten Vorstellungen. Nicht immer entspricht die Realität diesen Träumen und manches muss unterwegs neu bewertet werden. Oft ändert man sich im Laufe der Zeit auch selbst ein wenig, oder zumindest seine Wünsche.

Hier in der Karibik lernen wir viele Menschen kennen, die ihre Situation neu überdenken, sei es freiwillig, oder auch gezwungenermaßen. Meist sind es Paare der “B-Jugend”, in langjähriger oder neuer Beziehung. Seltener treffen wir ganz junge Leute, voller Begeisterung, vielleicht etwas naiv, aber extrem anpassungsfähig, bescheiden und nicht unterzukriegen, die auf teilweise winzigen Schiffchen ohne jeden Komfort und an der Grenze der Seetüchtigkeit, so tapfer von Job zu Job tingeln. Im Großen und Ganzen scheint die Blüte der Hippiezeit auf den Meeren aber vorbei zu sein. Auch die Möglichkeit, überall in Frieden und gratis Station zu machen, hat sich seit den Jahren eines Bernard Moitesssier wohl verändert. Natürlich ist auch die Gegend hier nicht repräsentativ für die ganze Welt.

Heute legen die meisten Fahrtensegler Wert auf einen gewissen Mindestkomfort, sichere Liegeplätze, gute Kommunikation mit der Heimat und wenn möglich auch hin und wieder einen Heimflug. Die Boote sind meist groß, technisch anspruchsvoll und teuer. Das ist auch ein Hauptgrund, warum sich die meisten wirtschaftlich sehr nach der Decke strecken müssen. Auf den Hauptrouten ist das Leben für “Bootsgammler” einfach zu teuer geworden, oder man ist nicht bereit, die Härten eines solchen Lebens in Kauf zu nehmen.

Wenn man davon auf den Antillen manchmal etwas enttäuscht ist, hört man von erfahrenen Seglern immer wieder:” Ja, dann mußt Du halt in den Pazifik gehen. Dort gibt’s noch immer einsame Inseln”.

Auf vielen Booten wird darüber diskutiert, aber es hilft halt nichts: das Schiff für die Cyclon-Season in Polynesien zu lassen oder von dort im Notfall kurz nach Hause zu fliegen ist ohne solides Budget einfach nicht möglich. Ob man wirklich 6000 Meilen segeln will, um dann wieder am Palmenstrand zu ankern, ist nicht gewiß, genauso wenig wie die Tatsache, dass das Boot durchhalten und man selbst dort gesund und glücklich sein wird. Außerdem ist da noch der lange Heimweg rund um Afrika, den die Piraten im Roten Meer notwendig machen.

All das ist eigentlich zu bewältigen, und wahrscheinlich ist das Problem viel einfacher: wir sind einfach nicht mehr 20!

Diese Entscheidungen müssen jedenfalls hier getroffen werden, denn ab Panama befindet man sich auf einer Einbahnstraße und dann geht’s nur mehr Richtung Westen zurück.

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Da wir zu Hause bei weitem nicht alles erledigt haben, Teilzeitbetreuung der Oma vereinbart ist, und wir uns Flüge von Tahiti nicht leisten können, wollen wir uns also im Moment noch nicht allzu weit von Österreich entfernen und übernächste Woche zu den Azoren auslaufen. Vielleicht dort auch ein Jahr verbringen. Schau’ma mal! Außerdem können wir Euch alle und die Kinder hin und wieder besuchen, bzw. öfter mal Freunde (Euch!), die wir in der Karibik verpaßt haben, an Bord begrüßen.

Uli hätte sich so gerne eine Weltumsegelung ins Buch geschrieben! Es paßt aber einfach noch nicht. Vielleicht können wir ja später nochmal einen Anlauf nehmen.

Liebe Grüße an alle

Uli & Peer

PS auf jeden Fall werden wir vor der Abfahrt noch über die letzten Wochen berichten

“Esperanza”, die Hoffnung

…heißt die schöne, alte Colin Archer mit Heimathafen Wien

 

Vielleicht zuerst ein paar Eckdaten:

Das Boot, sehr stäbig, schwer und traditionell, hat schon einmal die Welt umsegelt, läuft etwas nass und für ihre Größe sehr schnell, und vermittelt uneingeschränktes Vertrauen

Martina, ehemalige Ballerina an der Wiener Staatsoper, genießt die Zweisamkeit auf den langen Strecken, ist immer munter und offen für neue Gegenden und hält ihren schönen Blog aktuell

Florian, offiziell zwar Jurist, aus Passion aber eher reisender Musiker, heißt andere Segler immer mit Gesang, Gitarre und Klavier willkommen. Überhaupt zieht sich die Musik wie ein roter Faden durch sein und folglich derzeit auch durch unser Leben. Ein unbeschreiblicher Genuß!

Gute Voraussetzungen für die beiden noch recht jungen Leute – im Vergleich zu den sonst auf Langfahrtyachten eher geriatrischen Verhältnissen. Sie wollen die Welt umsegeln und stellen dieses Vorhaben, auch im Unterschied zu vielen anderen, kaum jemals in Frage. Darauf möchte ich später noch einmal zurückkommen.

 

Wir verstehen uns auf Anhieb ausgezeichnet und beschließen, einige Zeit zusammen zu verbringen. English Harbour gratuliert uns dazu mit der “Mega Yacht Challenge”, einer dreitägigen Regatta von alten und neuen, jeweils aber wunderschönen Booten. Von den umliegenden Hügeln beobachten wir die Wolken aus Segeltuch bei ihren ambitionierten Manövern. Aus mir wird nie ein Rennsegler werden, aber das ist pure Erotik! Das hier ausgestellte seltsame Ruderboot, mit dem einige ganz besondere Menschen schon viermal den Atlantik überquert haben, stellt das andere Ende der Skala dar.

 

Gemeinsam entdecken wir die schönen und auch stilleren Orte von Antigua, im Auto, bei Wanderungen und vor Anker in der tollen “Deep Bay” im Nordwesten, von wo wir schließlich nach Barbuda auslaufen, einer Ausnahmeinsel, so ganz nach Ulis Geschmack. Meist nur hoch am Wind erreichbar, etwas abseits der Hauptrouten, ohne jeden Schutzhafen und gespickt mit Korallenriffen – Herz, was willst Du mehr! Ich sehe das nicht ganz so cool.

Esperanza nimmt einiges Wasser übers Deck, damit wir gleichzeitig dort ankommen, fängt dabei aber auch noch Fische fürs Abendessen und macht der Seefahrt alle Ehre. Auf den letzten Meilen vor der Küste hilft nur mehr “eyeball-navigation”, d.h. einer stellt sich an den Bug und weist dem Rudergänger den Weg zwischen den Korallenköpfen. Ziemlich “tricky”!

Schließlich ankern wir vor einem meilenlagen Strand, der einst zu dem vor Jahren geschlossenen Luxusresort “K-Club” gehörte. Das Areal hat jetzt angeblich Robert De Niro um 250 Millionen Dollar gekauft und will es wieder in Schwung bringen. Zur Zeit grasen Esel und Pferde auf dem früheren Golfplatz und die Natur holt sich die Gegend zurück. Savannengestrüpp und Palmen überwachsen die einstigen Bungalows. Weiter im Süden gibt es noch ein Hotel, wo man als Yachtie ganz offiziell nicht willkommen ist. Sehr nett! Es gibt also keine Strandbar und auch sonst keinerlei Infrastruktur, denn der einzige Ort von Barbuda liegt in der Mitte der Insel an einer zu seichten Lagune. Wollte man einkaufen, so müßte man sich umständlich irgendwo ein Taxi oder Boot organisieren. Ein bisschen Südpazifik also, idyllisch und etwas einsam; man muss autark sein – wirklich eine Ausnahme auf den sonst recht überlaufenen Antillen. Uli ist begeistert!

 

Florian pflückt frische Kokosnüsse für uns und grillt selbstgefangene, köstliche Fische. Ein Barrakuda jedoch wird wieder in Freiheit entlassen. Der Grund dafür ist das berüchtigte Ciguatera-Gift in manchen Fischen. Hochtoxische Algen auf Korallenriffen gelangen über kleine Fische in die Nahrungskette, kumulieren in den größeren Raubfischen und erreichen in den größten Riffbewohnern wie Zackenbarschen, Haien und Barrakudas eine Konzentration, die auch für Menschen gefährlich sein kann. Manche Leute ignorieren das Problem, aber wir verzichten auf das Risiko, krank zu werden. Schließlich sind wir nicht am verhungern und weiters sind Hochseefische davon nicht betroffen.

Es sind schöne Tage hier, wildromantisch und so anders, als auf den üblichen Party-Inseln. Als der Wetterbericht, den Florian glücklicherweise rechtzeitig abgehört hat, aber völlig überraschend ganz untypischen Südwestwind ankündigt, lichten wir im Morgengrauen den Anker und verlassen fluchtartig die ungeschützte Reede.

Wieder einmal wird es ein schwerer Abschied. Das gehört natürlich zu unserer Art zu reisen, aber man gewöhnt sich nicht wirklich daran.

Wir wünschen der “Esperanza” alltime fair winds und hoffen sehr, dass sich unsere Kurse wieder einmal kreuzen mögen!

Liebe Grüße an alle

Uli & Peer