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June 23rd, 2015:

Erste Eindrücke

…von diesen sympathischen Gipfeln des mittelatlantischen Höhenrückens

Nach dem kurzen, turbulenten Aufenthalt in Horta/Faial, wo wir noch einige interessante Geschichten von anderen Seglern hören, der Schülercrew auf dem großen schwedischen Rahsegler “Gunilla” bei ihrer Arbeit in der Takelage zuschauen und Xandi einen Schnellsiederkurs bei einem Drechsler besucht, motoren wir bei Flaute die 70 Meilen nach Angra do Heroismo auf Terceira, vorbei an der Insel Pico, mit dem gleichnamigen eindrucksvollen, über 2000 m hohen Vulkan, und entlang der grünen Südküste von Sao Jorge, mit ihren schönen Wasserfällen. Das Meer ist spiegelglatt, nur von Delphinen (mit Babies!), Schildkröten und leider etwas Müll unterbrochen.

 

Ehrlich gesagt möchte ich jetzt schon gerne einmal wo ankommen und dort auch für einige Zeit bleiben. Es dauert aber noch ein bisschen, von der langen Überfahrt “umzuschalten”.

Im kleinen Hafen von Angra, übrigens UNESCO-Weltkulturerbe, werden wir aufs Freundlichste empfangen und bekommen einen der letzten Plätze zugewiesen, wo wir millimetergenau einparken müssen. Nachdem wir ausgeschlafen sind, checken wir bald einmal die nähere Umgebung, vor allem die malerische Altstadt, den hübschen botanischen Garten und ein paar Kneipen. In einer davon werden wir, als unkomplizierte Gäste, von den dort improvisierenden Schwestern (eine mit Alkoholproblem, die andere eine US/Kanada-Rückkehrerin, die den 80jährigen Papa, der heute zu müde ist, beim Kochen und im Service vertreten) praktisch adoptiert und hören so schon einige schräge Stories über die Inseln. Xandi fliegt schon bald wieder nach Hause und Armin opfert seine letzten Urlaubstage hier, um das Boot von allen häßlichen Rostfahnen zu befreien, die ihm ein Dorn im Auge sind. Dann muß auch er wieder nach Europa. Ich vermisse diese Crew!

 

Auf Voodoochile ist es jetzt sehr still geworden. Zumindest vorübergehend, wie sich später zeigen wird. Bei einem Bier mache ich einen persönlichen “Reset” und versuche, die Dinge neu zu ordnen. Es gibt genug zu tun, aber auch genug Zeit dafür; also schön langsam…

Wenn Uli wieder da ist, werden wir uns die hiesigen Sehenswürdigkeiten vorknöpfen, uns in die bewegte Geschichte des Landes einlesen und auch versuchen, zumindest ein paar Worte Portugiesisch zu lernen.

Der ziemlich ausgedehnte Archipel der Azoren befindet sich grob 800 Meilen westlich von Portugal; neun Gipfel von gewaltigen unterseeischen Gebirgen bilden die Inseln Santa Maria, Sao Miguel, Terceira, Graciosa, Pico, Sao Jorge, Faial, Flores und Corvo, die bei uns wenig bekannt sind, da sie aufgrund ihrer wilden Küsten und der relativ niedrigen Wassertemperatur des Nordatlantiks als Badedestination kaum in Frage kommen. Gut so! Es gibt so viele andere tolle Dinge hier, das kann ich selbst nach der kurzen Zeit schon sagen. Etliche Besucher kommen genau deswegen hierher, und nicht nur transatlantische Yachties. Auch die extrem niedrigen Lebenserhaltungskosten sind natürlich attraktiv.

Kurz: der Unterschied zu den Antillen könnte nicht größer sein! Die Leute sind geradezu herzlich zu Fremden (waren sie in der Karibik zugegebenermaßen größtenteils auch, läßt man den dortigen Volkssport von “fuck the gringos” mal außer Acht), die Gegend ist sicher (man kann das Boot offen lassen), die Orte und auch die Landschaft sind blitzsauber (weit mehr als in Österreich; hier findet man kein Papierl neben der Straße), sogar die Kühe sprechen gutes Englisch (zuindest auf Terceira), das Klima ist wie bei uns (nur ohne Winter) und es gibt kaum Mosquitos. Leider ist das Wasser kühl und es gibt kaum sichere Ankerplätze. Stimmt schon – ich bin hier nicht sehr objektiv, aber ich habe von der karibischen, oberflächlichen Dauerparty einfach schon genug. Übrigens behaupten alle anderen Segler hier von sich dasselbe.

Wir werden in den nächsten Monaten ja sehen, ob’s dabei bleibt.

Terceira war seinerzeit einer der wichtigsten Häfen im Nordatlantik, zuerst für die spanischen Galeonen mit ihren Goldtransporten, später bunkerten die ersten Dampfer hier Kohle, und im zweiten Weltkrieg tankten die Alliierten hier ihre Flieger auf. Bis heute gibt es das berühmte “Lajes-Airfield”, einen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt, der jetzt hauptsächlich als Zivilflughafen genutzt wird. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist der jetzige US-Präsident ja weniger davon überzeugt, dass Amerika demnächst von den Europäern oder anderen Schurken überfallen und vernichtet werden wird. Er will daher diesen Stützpunkt schließen oder die Truppenstärke zumindest reduzieren, was von der Bevölkerung auf Terceira sehr bedauert wird, denn dadurch gingen schon 400 Jobs für sie verloren. Man muss auch anerkennen, dass die Amis, nachdem Angra bei einem katastrophalen Erdbeben im Jänner 1980 weitgehend zerstört worden war, großzügig finanziell mithalfen, alles wieder aufzubauen.

Bezüglich der Stille muß ich allerdings mittlerweile einiges revidieren: man feiert zurzeit zehn Tage lang das Fest von “San Joaninas”, mit wunderbaren Prozessionen in der Altstadt, aber auch mit extrem lauten Bands aller Richtungen, auf einer Bühne direkt neben der Marina. Der Sound beginnt immer kurz nach Mitternacht und dauert etwa bis 0400. Die letzten beschwingten Gäste der vielen Standl’n bewegen sich erst heim, wenn’s hell ist. Aber zumindest wird kein Soca gespielt, sondern guter, alter Rock ‘n Roll, House und auch portugiesische Volkslieder.

 

VC’s Photografin ist ja noch nicht hier, daher gibt’s zur Überbrückung nur ein paar geschnorrte Bilder. Wird sich bald wieder ändern.

Liebe Grüße inzwischen an alle

Peer