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Andalusia

die “Costa del PVC” ist trotz allem wunderbar…

 

Gegen Mittag laufen wir bei Flaute von Cartagena aus. Der große Unterschied zwischen den synthetischen, modernen Welten hier, für die im Moment niemand Verwendung hat, und andererseits der Geschichtsträchtigkeit einiger Orte an Spaniens Südküste, stimmt etwas nachdenklich. Dieser Eindruck ändert sich auch nicht, als ein schnelles Schlauchboot der Küstenwache längsseits kommt, um uns zu kontrollieren. Die Beamten verabschieden sich freundlich, nachdem wir uns als Mitglieder eines Bergvolkes geoutet und daher bestimmt zu wenig Erfahrung haben, um uns als Schmuggler oder Schlepper zu betätigen. Sie haben hier sicher keinen leichten Job und auch heute gibt’s wieder Aufrufe am Funk, nach Flüchtlichsbooten Ausschau zu halten. Was können sich die Afrikaner hier eigentlich erwarten? Unterbezahlte Schwarzarbeit unter den viele Kilometer langen Plastikplanen der EU-gestützten Gemüseindustrie? Die Gegend ist eine wildromantische Halbwüste, der nur mit Hydrokultur, die sich das wenige Wasser mit den verwaisten Golfplätzen teilen muss, und mit viel Chemie beizukommen ist.

Am Nachmittag kommt etwas Südwestwind auf und wir setzen Segel. Dies hält jedoch nicht lange an. Unsere Strategie, die häufigen Gegenwinde zu vermeiden, hat ihren Preis: Flaute und Motor, jetzt als “Ausgleich” auch dichten Nebel! In der Nacht hören wir das Schnaufen der Delphine mehr als dass wir sie sehen können. Wir halten angestrengt Ausschau nach den vielen Trawlern, die nach Passieren des Cabo de Gato kreuz und quer den Meeresboden abgrasen.

In der Früh wird’s besser und wir sind froh, beim Ansteuern durch die flachen Gewässer von Almerimar doch recht gute Sicht zu haben. Man empfängt uns freundlich und das – in Spanien überall erforderliche – Einklarieren ist schnell erledigt. Wie immer steht Uli bei Hafenmanövern am Ruder und redet unserer eigensinnigen VOODOOCHILE gut zu, doch irgendwie in die Box zu fahren. Bei Seitenwind gehen wir halt mit dem Bug voran an die Murings, was auch den Vorteil von mehr Privatsphäre im Cockpit hat.

Almerimar ist ein großer, relativ neuer Sportboothafen, umgeben von einer Unzahl von Appartmentanlagen und Lokalen, der bei Fahrtenseglern wegen seiner guten Infrastruktur und den moderaten Preisen sehr beliebt ist. Manch einer überwintert hier und bastelt am Boot. Letztlich ist es hier aber, trotz der schönen Landschaftskulisse im Hintergrund, doch etwas trostlos, vielleicht auch saisonbedingt. Auf mehr als der Hälfte der Immobilien und Boote hängt das obligatorische Schild “se vende”. Kaum vorstellbar, was mit all diesen ehemaligen Träumen einmal geschehen soll. Man erzählt uns, dass Bauträger all die Wohnanlagen gebaut und an Privatpersonen als Geldanlage mit hoher Rendite verkauft haben, was auch ein paar Jahre lang gut gegangen ist. Nun ist aber der Markt zusammengebrochen, die Wohnungen sind unverkäuflich und an Banken verpfändet, denen ihrerseits die Kriegskasse ausgeht. Sollten diese Leichen jemals aus dem Keller geholt werden müssen, dann wird jeder “Rettungsschirm” vermutlch zu klein sein…

Wir lassen unseren betagten und störrischen Außenborder reparieren und kaufen endlich eine sogenannte EPIRB-Boje, ein Satellitensystem, das im Fall der Fälle auch auf hoher See Hilfe herbeiholen soll. Diese wird in England zentral registriert und bei Aktivierung können wir identifiziert, Hubschrauber und Schiffe losgeschickt und unsere Kinder verständigt werden. Eigentlich wollen wir das nicht fertig denken, sondern tratschen lieber mit Antje und Jürgen von der “Hanta Yo”, einem sehr netten deutschen Pärchen, das mit seinem kleinen Boot auf großer Fahrt ist.

 

Der Forecast sagt weiterhin “Nasenwind” an, aber wir müssen trotzdem irgendwie nach Westen weiter. Geliebtes Terminsegeln! Also raus ins bockige Wasser. Anfangs kreuzen wir auch recht erfolgreich gegenan mit Kurs nach Motril, gegen Abend wird der Wind aber deutlich stärker und wir machen kaum noch Fahrt aufs Ziel. Schließlich haben wir genug und laufen den Hafen von Adra an, über den wir in unseren Unterlagen kaum Informationen finden. Statt des angekündigten kleinen Fischerhafens mit Ankermöglichkeit finden wir eine nagelneue Marina mit Schwimmstegen vor, die offensichtlich nie fertig gebaut wurde, und nun lediglich von einem Mövenschwarm und zwei Fahrtenbooten besetzt ist. Ein Beamter empfängt uns herzlich, checkt unsere Papiere und läßt uns dann gratis bleiben!

 

Heute praktisch eine Wiederholung von gestern: auslaufen bei Flaute, am Vormittag Gegenwind und kreuzen, gegen Abend fünf Beaufort aus WSW, in den Böen auch mehr. Unter innerlichem Protest laufen wir Marina del’Este an, ein kleiner, exklusiver Hafen, der sich deutlich von den vorangegangenen Plätzen unterscheidet. Ein bisschen “Reich & Schön”, aber immerhin teilweise bewohnt. In einer kleinen, malerischen Bucht unter der Steilküste, mit hübschen Villen und gräßlichen Terrassenwohnungen rundum, findet man hier trotz heftiger Fallböen ein geschütztes Plätzchen, das allerdings seinen Preis hat und deshalb für uns nicht wirklich eine Option ist. Wir erklimmen den Berg mit dem großen Leuchtturm, bestaunen die vielen tollen Gärten und lernen die nette britische Crew der “Sirius” kennen, die mit ihren Kindern unterwegs ist und auch auf günstigeren Wind wartet.

 

Es wird Zeit, durch die Straße von Gibraltar in den Atlantik zu gehen.

Also auf!

Liebe Grüße an alle

Uli & Peer

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