…Achterbahn der Gefühle
Kaum kommen wir aus der Abdeckung von San Pietro, schon empfängt uns wieder das “Mare Nostrum” mit Hallo: windschwach mit langer, vier Meter hoher Dünung, dummerweise gleichzeitig aus Südost und Südwest. Manchmal sind die Köpfe der Wellen wirklich beeindruckend. Anfangs können wir ganz gut segeln, dann aber schläft der Wind ganz ein und nur der elende Seegang bleibt. Natürlich nichts für unseren Autopiloten, also stündlich abwechseln am Steuer. Den Tag, die Nacht, den nächsten Tag. 20 Meilen vor dem Landfall setzt der angekündigte Mistral ein. Voodoochile reitet mit gerefften Segeln und mit 8 Knoten Fahrt durch die Finsternis und wir kommen kaum nach mit der Navigation. Jetzt fallen uns die etwas makabren Glückwünsche (Bocca di Lupo, Crepi – also ins Maul des Wolfes, oder krepiert) unserer neuen Freunde aus Carloforte ein. Uli steuert souverän und mit hoher Fahrt durch die schmale Einfahrt und dann in die stockfinstere Ankerbucht nördlich der Isla de Lazaret, wo einige Boote vor Anker liegen. Wir werfen unseren irgendwo ins seichte Wasser – mitten in der Durchfahrt, wie wir am nächsten Morgen erkennen müssen, und wie uns ein großes Ausflugsboot per Hupe mitteilt.
Heute wird aufgeräumt, geschlafen, telefoniert und wieder geschlafen.
Um 0500 weckt uns ein mächtiges Gewitter und durch die Salonfenster beobachten wir mit Schrecken, dass bei einigen Booten die Anker offenbar nicht halten, denn sie motoren kreuz und quer durch die Bucht. Verunsichert, aber noch zuversichtlich wollen wir Kaffee machen, aber in einer Bö von 45 Knoten (wurde uns später mitgeteilt) geht auch Voodoochile auf Drift! Binnen 30 Sekunden laufen wir in Lee auf Grund – glücklicherweise Sand.
Leichte Panik – zugegeben!
Fast sofort, im Finstern und bei strömendem Regen, rast Andrea von der “Creuza de Mä” (dazu später) in seinem starken Dinghi herbei und bringt unseren Reserveanker an langen Leinen in Luv aus, mit dem wir uns später auch wieder befreien können. Paco von der “Olé” hilft inzwischen einem gestrandeten Motorboot. Insgesamt gingen in dieser Nacht fünf von sieben Booten auf Drift.
At this place for you Isa, Andrea, Theda and Paco: we’ll never forget your immediate efforts to help us, for keeping us in good mood and for your great company! Hope to meet up on the Canaries soon! Baci and big hugs from us!
Andrea und Isabella, ein junges Profisegler-Pärchen, auf ihrer wunderbaren SWAN 65 “Creuza de Mä” (“Weg zum Meer” in genuesischem Dialekt, nach einem Lied von Fabricio de Andre benannt), sowie Theda aus Peru und Paco aus Spanien auf ihrem Katamaran “Olé”, wurden beim Tratschen und gemeinsamen Abendessen und Auflügen in kurzer Zeit zu echten Freunden. Andrea borgte uns sein Dinghi für Einkaufsfahrten (20 PS sind gerade genug, wenn man die Zigaretten vergessen hat), erzählte von seinen weiten Reisen, versorgte uns mit Tipps und Wetterberichten, zeigte uns die schöne Swan und redete uns nach dem ausgestandenen Schrecken gut zu. Trotz seiner Jugend gehört er zu den souveränsten Seglern, die ich kenne. Ausserdem sagte er Uli, dass Spaghetti und Sugo IMMER vor dem Servieren im Topf zusammengemischt werden dürfen. Paco erzählt, dass sein Anker zwei Tage zuvor nicht gehalten hätte. Der Boden dürfte hier also nicht ganz so verlässlich sein, wie in unserem Hafenführer beschrieben. Wir haben jedenfalls jetzt 55 Meter Kette mit zwei großen Ankern draußen und schlafen dennoch nicht mehr so ruhig wie früher.
Von Menorca haben wir nicht wirklich viel gesehen, aber zumindest die Altstadt von Mahon, der Hauptstadt, besucht, sowie eine der großen Festungen erwandert. Der große Naturhafen trieft nur so von Geschichte und die vielen Festungen und auch aktuelle militärische Anlagen wirken etwas bedrohlich. Insgesamt eindrucksvoll und sicher einen längeren Aufenthalt wert.
Am Tag vor der Abreise geht das “Ankerkino” weiter: ein Charterboot mit deutscher Crew reißt sich in einer Bö los und treibt uns direkt in den Bugspriet. Gottseidank hat sich niemand verletzt, aber Bimini und Reling der Bavaria sind ziemlich lädiert.
Traurig ist der Abschied von unseren neuen Freunden, aber sie gehen auch nach Westen und die Chancen, sie demnächst wieder zu treffen, sind gut.
Morgen geht’s wieder weiter, das Wetter sollte für 30 Stunden akzeptabel sein
Liebe Grüße an alle
Uli & Peer