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Dominica

zurück in die EU

…sozusagen

Im ersten Licht des Tages laufen wir aus der Bucht von Roseau aus, bei schwachem, umlaufendem Wind, entlang der hohen Westküste bis zu Scott’s Head, dem eindrucksvollen Felsen am Südende Dominicas. Fast sofort erfaßt uns wieder der Passat, der gegen den starken Strom vom Atlantik steht, und hohe Kabbelsee aufwirft. Bald beruhigt sich das Ganze und wir laufen unter Groß, Genua und Besan im ersten Reff rasch nach Süden. Im dunstigen Licht können wir bald darauf Martinique erkennen und hoch am Wind auch ansteuern. In Lee dieser großen Insel wird der Wind – wie üblich – wieder unbeständig und wir müssen wieder einige Male weit aufs Meer hinauskreuzen, um am späten Nachmittag in die große Bucht der Hauptstadt Fort de France zu gelangen. Es gibt viel Verkehr hier und das Wasser ist stellenweise sehr seicht. Also Vorsicht! Direkt unter der alten Festung Fort Saint Louis gehen wir vor Anker, klarieren das Deck auf und genießen einen Sundowner. Boote aus vielen Ländern liegen hier, einige Einheimische baden am Stadtstrand und aus der City klingt leise Musik und etwas Verkehrslärm herüber.

Gleich am nächsten Morgen geht’s weiter nach Süden, in die Grande Anse d’Arlet, eine beliebte Ankerbucht, wo man angeblich auch einklarieren kann. Wir schnappen uns eine der guten Gratisbojen zwischen gezählten 80 anderen Booten! Ferienstimmung. Die Zollstation gibt’s doch nicht mehr und wir müssen daher illegal in der EU essen gehen.Das Wasser ist klar und beim Schnorcheln sehen wir mehrere geduldige Schildkröten. Diese sympathischen Zeitgenossen scheinen sich hier sehr wohl zu fühlen.
Da es jetzt wirklich an der Zeit ist, uns um unseren alten Deutz zu kümmern, wollen wir bald nach Le Marin an der Südküste, eine große Marina mit guten Reparaturmöglichkeiten. Um die im Handbuch beschriebene “washing machine” beim Diamond Rock am Südwesteck von Martinique zu vermeiden, timen wir unsere Abfahrt entsprechend der Tide und entkommen daher der berüchtigten Kabbelsee hier, mit dem Ergebnis, jetzt nicht nur den Wind, sondern auch den Strom auf die Nase zu bekommen.

Um diesen spektakulären Felsen rankt sich eine interessante Geschichte: da die Briten hier keinerlei Hafen hatten, erkletterten und bewaffneten sie mühsam den Felsen und führten ihn fortan als “Kriegsschiff HMS Diamond Rock” in den Büchern. Bald darauf wurden sie aber vom eigens dafür aus Frankreich entsandten General Villeneuve wieder vertrieben. Martinique blieb französisch.

Die Einfahrt in die große Bucht von Le Marin mit ihren zahlreichen Korallenriffen und Untiefen ist spannend, aber mithilfe der freundlichen Marineros liegen wir bald in einer der wenigen Parklücken, zwischen hunderten Katamaranen.

Die Neuorientierung in einem unbekannten Hafen ist immer etwas schwierig. Wenn man technische Probleme hat wird’s auch nicht besser. Auf unsere vielen Fragen in holprigem Französisch erhalten wir endlose Antworten in fließendem Créole; die freundlich angefertigten Skizzen führen ausnahmslos auf weite Irrwege. Trotzdem finden wir Mechaniker, Landmaschinenhändler und sogar einen Spezialisten für Einspritzpumpen. Ergebnis derzeit noch unklar.

In den Wartezeiten fahren wir meilenweit mit dem Dinghi zum Schnorcheln auf den Riffen, zum Strand vom Club Méd und durch die Mangrovensümpfe, wo nach den letzten Stürmen viele Yachten “endgelagert” sind. Es ist viel los hier, am Wochende gibt’s eine Boatshow und ein großes Elektronik-Musikfestival, dessen horrende Eintrittspreise uns einen Besuch – sehr zu Uli’s Leidwesen – unmöglich machen.

Zwei Tage erkunden wir die Gegend per Mietwagen, wie immer eine Budget-Gewissensfrage, denn billige Busse gibt’s hier nicht. Man hat uns nicht zuviel versprochen: Traumstrände, Ruinen ehemaliger Plantagen, stilvolle Rum-Destillerien, Regenwald, Wasserfälle, Vulkane u.v.m. Interessant ist, dass vieles hier, teilweise mit zweistelligen Millionenbeträgen, EU-gefördert ist.

Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: ich bin ein strikter Gegner davon, alle solche Geldflüße, die nicht nach Österreich führen, sofort zu verdammen. Diese Solidarität, innerhalb und manchmal auch außerhalb der EU, ist ein wichtiger Teil des Gedankens der Gemeinschaft, und auch wenn einmal ein Wanderweg auf Dominica von Europa subventioniert wird, so ist das sicher sinnvolle Entwicklungshilfe. Fließen jedoch riesige Beträge in einem Land wie Martinique, mit seinem fast europäischen Standard, in die Modernisierung von Marinas oder den mehrspurigen Ausbau von Kreisverkehren, so glaubt man eher, dass Monsieur Sarkozy in Brüssel geschickt verhandelt hat. However…

Zur Zeit warten wir wieder einmal auf den Mechaniker, der die Einspritzpumpe einbauen und einstellen soll. Das kann ich einfach nicht. Sie war übrigens nicht das Problem. Wo der Fehler wirklich liegt, soll heute herausgefunden werden; die diesbezüglichen Theorien sind bestenfalls unklar. Der Mechaniker hat uns schon einmal versetzt und Uli’s Stimmung ist im Keller, denn die Marina ist teuer und in zwei Tagen spielt Monty Alexander beim Jazz-Festival von Saint Lucia….

Liebe Grüße
Uli & Peer

Am Sonntag

…soll Kolumbus die Insel Dominica entdeckt haben. Daher der Name!

Rauschefahrt! Mit fünf bis sechs Beaufort von querab, mit einem Reff in allen drei Segeln und mit blankgeputzem Bauch, läuft VOODOOCHILE seit langem wieder einmal wie ein junges Pferdchen. Für die rund 50 Meilen von Le Gosier nach Portsmouth im Nordwesten von Dominica benötigen wir gerade mal siebeneinhalb Stunden. Für unsere Verhältnisse nenn’ ich das “Performance” (hier schmunzeln die Regattasegler wieder!).

Kaum haben wir das Kap der Bucht von Portsmouth gerundet, kommen uns die “Boys” in ihren tüchtigen Dinghies mit Vollgas entgegen und bieten ihre Dienste an: Muringboje, Landausflüge, einklarieren und alles, was man so braucht. Sie sind nett und verläßlich. Aufgrund einer Empfehlung von Freunden wenden wir uns an Martin mit seinem Boot “Providence”. Ein guter Entschluß, wie sich später zeigt.
Der Zufall will es, dass wir im “Österreicher-Eck” landen, neben zwei anderen weitgereisten Yachten aus unserem Alpenland, mit deren Crews wir angenehme Stunden verbringen.

Dominica erweist sich in den nächsten Tagen als die bisher vielleicht hübscheste Antillen-Insel, sofern man das überhaupt sagen kann. Möglicherweise mangels Alternativen setzt man hier auf nachhaltigen Tourismus. Das Ankern ist weitgehend verboten (man muss an eine billige Boje, um den Meeresboden nicht zu zerstören), den berühmten “Indian River” darf man nur mit Guide und nur rudernderweise besichtigen und die Insel durchzieht ein fast 200 km langer Weitwanderweg, für den man allerdings mindestens zwei Wochen benötigt. Außerdem befinden sich hier einige Drehorte von „Fluch der Karibik“. Natürlich springen wir von denselben Felsen in den Fluß wie seinerzeit Johnny Depp.

Der Regenwald ist trotz schon jahrzehntelangem, bescheidenem Tourismus kaum beeinträchtigt und die Infrastruktur insgesamt eher bescheiden. Die Einwohner sind ausnehmend freundlich, das Betteln und Feilschen hält sich in Grenzen und alle Leute erkundigen sich nach unserem Befinden. Offenbar Befehl von ganz oben. Einige der “Boys” und Fremdenführer haben sich zu einer Organisation namens PAYS zusammengeschlossen, um die Sicherheit aller Yachties und eine gewisse Qualität im Tourismus zu gewährleisten. Es funktioniert offenbar! Außerdem veranstalten sie für die zahlreichen Crews jeden Sonntag ein Barbecue, damit diese sich untereinander kennenlernen können. Aus diesem kleinen aber offensichtlichen Erfolg der Leute von PAYS (die nebenbei übrigens auch für winzige NGO’s arbeiten und Spenden für ein Heim für mißhandelte Kinder sammeln) entsteht aber auch etwas Eifersucht unter den anderen Barbetreibern, die sich abends durch fast unerträglich laute Strandmusik aus ihren Subwoofern bemerkbar machen. Leider! Wenn’s täglich ist, dann kann es einem die Ankerbucht ganz schön vermiesen.

Das heute unabhängige Dominica blickt natürlich auch auf die übliche Geschichte mit Zuckerrohr und Sklaven zurück und entwickelt sich langsam, aber – wie wir glauben – in die richtige Richtung. Die Fahrten ins Hinterland sind einfach toll. Nach ein paar Tagen wechseln wir in die Bucht der Hauptstadt Roseau, im Südwesten, wo das Schnorcheln an der Riffwand von Scott’s Head, sowie das Klettern in den Wasserfällen der Gorge Titou zu unvergeßlichen Momenten werden. Im hiesigen Hotel “Anchorage” ist ein Skelett eines Pottwals ausgestellt, der vor einigen Jahren angespült wurde, ein anderer – lebender – ist angeblich hier in der Bucht Stammgast.

Martin, ein gelernter Botaniker, erklärt ausgiebig Fauna und Flora, sowie alle essbaren Gewürze, Obst- und Gemüsesorten, und wie man damit kocht. Alle Dominikaner scheinen sich mit dem langfristigen Erhalt ihrer Heimat zu identifizieren, und wir wünschen ihnen dabei viel Glück. All unsere Seglerkollegen möchten wir bitten, sich dabei durch die Inanspruchnahme der hier zu vernünftigem Entgelt angebotenen Dienste zu beteiligen.

Dominica ist was ganz Besonderes, und so ganz anders, als das “europäische” Guadeloupe. Dennoch fahren wir jetzt wieder in die EU weiter – nach Martinique.

Liebe Grüße inzwischen
Uli & Peer