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Mittelamerika/Karibik

Southbound again

…wenn heute Sonntag ist, dann muss das Saint Lucia sein

Nach rund zehn Tagen im Hafen dauert’s wieder ein bisschen, bis wir wieder seeklar sind. Bei den relativ kurzen Überfahrten hier brauchen wir fürs Her- oder Wegräumen immer fast länger, als fürs eigentliche Segeln. Obwohl es meist nur Tagesfahrten sind, muss das Boot trotzdem immer richtig fit gemacht werden, denn draussen weht es beständig und es gibt natürlich auch entsprechend Welle.
Wir sind jetzt in der Mitte des Antillenbogens, und der Südkurs sorgt für angenehme Tage ohne zu kreuzen, meist mit flotter Fahrt und einem Reff in den Segeln.
Voodoochile läuft mit sechs bis sieben Knoten, denn heute Nachmittag wird beim Jazz-Festival in Rodney Bay auf Saint Lucia neben Anderen auch Monty Alexander spielen, den wir besonders lieben und in Graz einmal vor lauter Begeisterung an drei Abenden hintereinander gesehen haben. Dieser großartige Jazz-Pianist stammt aus Jamaica, ist eigentlich gelernter Klassik-Mann, hat sich aber seit Langem dem Jazz und auch dem Calypso verschrieben.
Wir erreichen unsern Ankerplatz in der Rodney-Bay zwar rechtzeitig, aber nach der hier überall notwendigen Prozedur des Einklarierens versäumen wir die erste Hälfte des Gigs. Trotzdem will der Veranstalter noch 80 US-Dollar Eintritt für die restlichen 20 Minuten! Wir müssen also passen – wieder eine Demutsübung.


Wurscht! Wir sehen uns die Umgebung an und Uli klettert allein auf das Fort, um zu fotographieren (wieder 1 x Eintritt gespart). Bekannt ist die Insel vor Allem wegen der beiden spektakulären “Pitons”, zwei steilen Bergen mit ausdrücklich weiblicher Symbolkraft, und der Tatsache, dass die ARC, die große Transatlantik-Rallye, hier endet. Aber außer, dass wir hier Hans-Peter kennen lernen, einen netten Österreicher mit großem Hund und schöner OVNI, mit dem wir über gemeinsame Freunde tratschen, zieht uns die Gegend nicht wirklich an. Zwei Tage später laufen wir mit Kurs Marigot-Bay an der Westküste aus (ja, fast jede Antilleninsel hat ihr Marigot). Übrigens: es ist ganz interessant, dass fast all diese Inseln von Spaniern entdeckt wurden, aber heute kaum noch spanischer Einfluß zu bemerken ist, weder sprachlich, noch kulturell oder architektonisch. Alles hat irgendwie britischen oder auch französichen Hintergrund.

Die winzige, gut geschützte Bucht von Marigot besteht zwar nur aus einer Marina, einer Handvoll Häusern und mehreren Restaurants, ist aber unglaublich hübsch. Man liegt hinter einer kleinen Landzunge mit Palmenreihe, ohne Schwell und Böen, und genießt die Sonnenuntergänge. Als Draufgabe laufen ganz liebe Kollegen von unserem grazer Segelclub mit dem Boot Marjana ein (liebe Grüße auch an die Bootseigener Monika und Gerhard!). Eine Riesenüberraschung und schöne gemeinsame Stunden!

Der Taxifahrer, den wir für eine Fahrt durch den Süden Saint Lucias chartern, hat auch schon Landeshauptmann Voves gefahren; er berichtet stolz davon und bringt uns in die schwefelige Einöde eines noch aktiven Vulkankraters, zu grauslichen Schlammquellen und zu tollen Aussichtspunkten. Schön ist’s hier wieder einmal!
Nach ein paar Tagen gehen wir aber wieder ankerauf, noch bevor es hell wird, mit Kurs Bequia, denn die Uhr (eigentlich eher der Kalender) tickt…
Bis bald
Uli & Peer

zurück in die EU

…sozusagen

Im ersten Licht des Tages laufen wir aus der Bucht von Roseau aus, bei schwachem, umlaufendem Wind, entlang der hohen Westküste bis zu Scott’s Head, dem eindrucksvollen Felsen am Südende Dominicas. Fast sofort erfaßt uns wieder der Passat, der gegen den starken Strom vom Atlantik steht, und hohe Kabbelsee aufwirft. Bald beruhigt sich das Ganze und wir laufen unter Groß, Genua und Besan im ersten Reff rasch nach Süden. Im dunstigen Licht können wir bald darauf Martinique erkennen und hoch am Wind auch ansteuern. In Lee dieser großen Insel wird der Wind – wie üblich – wieder unbeständig und wir müssen wieder einige Male weit aufs Meer hinauskreuzen, um am späten Nachmittag in die große Bucht der Hauptstadt Fort de France zu gelangen. Es gibt viel Verkehr hier und das Wasser ist stellenweise sehr seicht. Also Vorsicht! Direkt unter der alten Festung Fort Saint Louis gehen wir vor Anker, klarieren das Deck auf und genießen einen Sundowner. Boote aus vielen Ländern liegen hier, einige Einheimische baden am Stadtstrand und aus der City klingt leise Musik und etwas Verkehrslärm herüber.

Gleich am nächsten Morgen geht’s weiter nach Süden, in die Grande Anse d’Arlet, eine beliebte Ankerbucht, wo man angeblich auch einklarieren kann. Wir schnappen uns eine der guten Gratisbojen zwischen gezählten 80 anderen Booten! Ferienstimmung. Die Zollstation gibt’s doch nicht mehr und wir müssen daher illegal in der EU essen gehen.Das Wasser ist klar und beim Schnorcheln sehen wir mehrere geduldige Schildkröten. Diese sympathischen Zeitgenossen scheinen sich hier sehr wohl zu fühlen.
Da es jetzt wirklich an der Zeit ist, uns um unseren alten Deutz zu kümmern, wollen wir bald nach Le Marin an der Südküste, eine große Marina mit guten Reparaturmöglichkeiten. Um die im Handbuch beschriebene “washing machine” beim Diamond Rock am Südwesteck von Martinique zu vermeiden, timen wir unsere Abfahrt entsprechend der Tide und entkommen daher der berüchtigten Kabbelsee hier, mit dem Ergebnis, jetzt nicht nur den Wind, sondern auch den Strom auf die Nase zu bekommen.

Um diesen spektakulären Felsen rankt sich eine interessante Geschichte: da die Briten hier keinerlei Hafen hatten, erkletterten und bewaffneten sie mühsam den Felsen und führten ihn fortan als “Kriegsschiff HMS Diamond Rock” in den Büchern. Bald darauf wurden sie aber vom eigens dafür aus Frankreich entsandten General Villeneuve wieder vertrieben. Martinique blieb französisch.

Die Einfahrt in die große Bucht von Le Marin mit ihren zahlreichen Korallenriffen und Untiefen ist spannend, aber mithilfe der freundlichen Marineros liegen wir bald in einer der wenigen Parklücken, zwischen hunderten Katamaranen.

Die Neuorientierung in einem unbekannten Hafen ist immer etwas schwierig. Wenn man technische Probleme hat wird’s auch nicht besser. Auf unsere vielen Fragen in holprigem Französisch erhalten wir endlose Antworten in fließendem Créole; die freundlich angefertigten Skizzen führen ausnahmslos auf weite Irrwege. Trotzdem finden wir Mechaniker, Landmaschinenhändler und sogar einen Spezialisten für Einspritzpumpen. Ergebnis derzeit noch unklar.

In den Wartezeiten fahren wir meilenweit mit dem Dinghi zum Schnorcheln auf den Riffen, zum Strand vom Club Méd und durch die Mangrovensümpfe, wo nach den letzten Stürmen viele Yachten “endgelagert” sind. Es ist viel los hier, am Wochende gibt’s eine Boatshow und ein großes Elektronik-Musikfestival, dessen horrende Eintrittspreise uns einen Besuch – sehr zu Uli’s Leidwesen – unmöglich machen.

Zwei Tage erkunden wir die Gegend per Mietwagen, wie immer eine Budget-Gewissensfrage, denn billige Busse gibt’s hier nicht. Man hat uns nicht zuviel versprochen: Traumstrände, Ruinen ehemaliger Plantagen, stilvolle Rum-Destillerien, Regenwald, Wasserfälle, Vulkane u.v.m. Interessant ist, dass vieles hier, teilweise mit zweistelligen Millionenbeträgen, EU-gefördert ist.

Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: ich bin ein strikter Gegner davon, alle solche Geldflüße, die nicht nach Österreich führen, sofort zu verdammen. Diese Solidarität, innerhalb und manchmal auch außerhalb der EU, ist ein wichtiger Teil des Gedankens der Gemeinschaft, und auch wenn einmal ein Wanderweg auf Dominica von Europa subventioniert wird, so ist das sicher sinnvolle Entwicklungshilfe. Fließen jedoch riesige Beträge in einem Land wie Martinique, mit seinem fast europäischen Standard, in die Modernisierung von Marinas oder den mehrspurigen Ausbau von Kreisverkehren, so glaubt man eher, dass Monsieur Sarkozy in Brüssel geschickt verhandelt hat. However…

Zur Zeit warten wir wieder einmal auf den Mechaniker, der die Einspritzpumpe einbauen und einstellen soll. Das kann ich einfach nicht. Sie war übrigens nicht das Problem. Wo der Fehler wirklich liegt, soll heute herausgefunden werden; die diesbezüglichen Theorien sind bestenfalls unklar. Der Mechaniker hat uns schon einmal versetzt und Uli’s Stimmung ist im Keller, denn die Marina ist teuer und in zwei Tagen spielt Monty Alexander beim Jazz-Festival von Saint Lucia….

Liebe Grüße
Uli & Peer

Ausstieg

…oder Ausstieg vom Ausstieg

Angeblich sagen ja ein paar Bilder mehr als tausend Worte. Also gut, hier sind welche:

Es kann viele Gründe geben: gesundheitliche oder finanzielle Probleme, Tropenstürme, Familienangelegenheiten und Beziehungsgeschichten, Verwicklung in dubiose Machenschaften oder einfach fehlerhafte Navigation.
Auf jeden Fall möchten wir dieser uns unbekannten Schicksale manchmal gedenken, und uns bemühen, künftig noch etwas demütiger zu sein. Vielleicht jammern wir ja gelegentlich doch auf zu hohem Niveau…

Wir bleiben in Kontakt
Uli & Peer

mehr als 700 Tage

…also rund zwei Jahre sind wir jetzt unterwegs. Doch ein kleines Jubiläum!

Solange ist es jetzt schon her, dass Ihr mit uns die blecherne VOODOOCHILE in San Giorgio ins Wasser geschmissen habt. Wir denken an die unzähligen Helfer, die den Endspurt und das ganze Projekt durch ihren Einsatz möglich gemacht haben, an den Moment, als Doris, Wolfi und Ulrich uns zur ersten Probefahrt praktisch „aus dem Hafen getreten” haben, die Abreise mit dem – höflich ausgedrückt – unfertigen Schiff, die ersten lieben Crews, die großzügig über die vielen Unzulänglichkeiten hinweggesehen haben, die schöne und anstrengende Fahrt durchs Mittelmeer ohne Autopilot, die unverhofften wunderbaren Monate in Andalusien und auf den Kanaren, die phantastischen langen Fahrten auf dem Atlantik, und schließlich die Landung auf den karibischen Inseln.

Soviel gab’s zu bestaunen, so viele interessante Menschen haben unseren Weg gekreuzt, an so vielen verschiedenen Schicksalen haben wir irgendwie teilgehabt. Es gab ein paar bange Momente, ein paar Unterbrechungen und – vor allem anfangs – viele Unsicherheiten.
Manchmal fühlen wir uns auch alt – aber so richtig….

Doch dann kommen sofort wieder die Backfische in uns durch, und mit großen Augen geht’s wieder auf zu neuen, grandiosen und teilweise auch schrägen Erlebnissen.

Auch wenn wir uns jetzt heimlich eingestehen, uns doch schon etwas auf die Reise nach Österreich zu freuen, auf unsere „Kinder“ und die vielen guten Freunde dort, so möchten wir keine Minute dieser Reise missen. Wir bereuen nichts!

Liebe Grüße
Uli & Peer

schöner wohnen

…oder das Land der vielen Rümpfe

Es tut mir leid, es muss sein: jetzt werde ich mich hier durch einen kleinen Exkurs in die Welt der Katamarane outen (ohne jegliche eigene, einschlägige Erfahrung oder Kompetenz, höchst subjektiv und unfair, und daher bitte auch nicht allzu ernst zu nehmen).

Martinique ist offensichtlich ein französisches Synonym für “Mehrrumpfboote”, die hier in beängstigender Anzahl ihre Charter-Heimat gefunden haben. Ich rede nicht von den teilweise winzigen, tapferen Kats, die ihren kleinen Crews lange, sichere und glückliche Reisen ermöglichen; nicht von den spartanischen Wharrham’s, leicht und schnell wie polynesische Proas; nicht von großen, anmutigen Outremer‘s, und schon gar nicht von den reinrassigen Rennmaschinen mit ihrem fast unvorstellbaren Speed. Die Rede ist von dem Riesenhaufen französischer Billig-Pontons mit senkrechten, grünen Fenstern, die hier den Traum vom Segelurlaub verkörpern sollen, und die jeden Samstag von unermüdlichen Marineros aufs neue repariert werden müssen.

Die durchschnittliche Charterwoche wird in fünf Phasen eingeteilt:

Phase 1) Ankunft der Crew, Bestaunen des gemieteten Riesenteils, aufgeregtes Feiern bis in den frühen Morgen der acht- bis zehnköpfigen Crews
Phase 2) Ablegen in freudiger Erwartung unter Vollzeug – bis sie aus der Abdeckung des Hafens kommen
Phase 3a) chaotisches Bergen der großen, schlagenden Tücher
Phase 3b) wie Phase 3a, jedoch zusätzlich mit Patenthalse; anschließend Motorfahrt mit ernsten Gesichtern in die vom Vercharterer empfohlene nahe Ankerbucht
Phase 4) Kurzstag-Ankern unter Kollegen, glückliches Baden und Grillen
Phase 5) Papierkram wegen der Versicherung…

Die ganze Diskussion über Ein- oder Mehrrumpfer ist selbstverständlich Unsinn und müßig. Verglichen mit der Adria sind die Ankerbuchten hier nie frei von Schwell und, während wir uns am Tisch oder Bett festhalten, schauen wir neidisch zu den anderen rüber, die davon nichts mitkriegen. Das eigentliche Problem ist die Optik – sie sind so abgrundtief SCHIACH!!!
Seenomadin Doris hat auf der Bootsmesse in Tulln auf die Frage, was ihr beim „idealen Fahrtenboot“ besonders wichtig wäre, gemeint, auch dessen Schönheit wäre entscheidend.

Lassen wir das mal so stehen.

Etwas profaner sieht das Kurt Reinke im Vorwort zu seinem Standardwerk „Yachtbau“: Katamarane sind nicht selbstaufrichtend, daher keine Yachten im Sinne der Definition und folglich kein Thema dieses Buches. Punktum!

Voodoochile wird weiterhin ihre rote Nase etwas verschämt zwischen diesen GFK-Träumen herausstecken, und wir werden uns weiterhin manchmal wünschen, aufrecht am Boot gehen zu können, uns im Bett nicht festhalten und wie die Affen durchs Cockpit turnen zu müssen. Dafür hat unser Boot aber auf der Unterseite des Rumpfes keine Luken zum Aussteigen….

Liebe Grüße
Peer
(Uli möchte sich von diesem Blödsinn lieber distanzieren)