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Ausstieg

…oder Ausstieg vom Ausstieg

Angeblich sagen ja ein paar Bilder mehr als tausend Worte. Also gut, hier sind welche:

Es kann viele Gründe geben: gesundheitliche oder finanzielle Probleme, Tropenstürme, Familienangelegenheiten und Beziehungsgeschichten, Verwicklung in dubiose Machenschaften oder einfach fehlerhafte Navigation.
Auf jeden Fall möchten wir dieser uns unbekannten Schicksale manchmal gedenken, und uns bemühen, künftig noch etwas demütiger zu sein. Vielleicht jammern wir ja gelegentlich doch auf zu hohem Niveau…

Wir bleiben in Kontakt
Uli & Peer

mehr als 700 Tage

…also rund zwei Jahre sind wir jetzt unterwegs. Doch ein kleines Jubiläum!

Solange ist es jetzt schon her, dass Ihr mit uns die blecherne VOODOOCHILE in San Giorgio ins Wasser geschmissen habt. Wir denken an die unzähligen Helfer, die den Endspurt und das ganze Projekt durch ihren Einsatz möglich gemacht haben, an den Moment, als Doris, Wolfi und Ulrich uns zur ersten Probefahrt praktisch „aus dem Hafen getreten” haben, die Abreise mit dem – höflich ausgedrückt – unfertigen Schiff, die ersten lieben Crews, die großzügig über die vielen Unzulänglichkeiten hinweggesehen haben, die schöne und anstrengende Fahrt durchs Mittelmeer ohne Autopilot, die unverhofften wunderbaren Monate in Andalusien und auf den Kanaren, die phantastischen langen Fahrten auf dem Atlantik, und schließlich die Landung auf den karibischen Inseln.

Soviel gab’s zu bestaunen, so viele interessante Menschen haben unseren Weg gekreuzt, an so vielen verschiedenen Schicksalen haben wir irgendwie teilgehabt. Es gab ein paar bange Momente, ein paar Unterbrechungen und – vor allem anfangs – viele Unsicherheiten.
Manchmal fühlen wir uns auch alt – aber so richtig….

Doch dann kommen sofort wieder die Backfische in uns durch, und mit großen Augen geht’s wieder auf zu neuen, grandiosen und teilweise auch schrägen Erlebnissen.

Auch wenn wir uns jetzt heimlich eingestehen, uns doch schon etwas auf die Reise nach Österreich zu freuen, auf unsere „Kinder“ und die vielen guten Freunde dort, so möchten wir keine Minute dieser Reise missen. Wir bereuen nichts!

Liebe Grüße
Uli & Peer

schöner wohnen

…oder das Land der vielen Rümpfe

Es tut mir leid, es muss sein: jetzt werde ich mich hier durch einen kleinen Exkurs in die Welt der Katamarane outen (ohne jegliche eigene, einschlägige Erfahrung oder Kompetenz, höchst subjektiv und unfair, und daher bitte auch nicht allzu ernst zu nehmen).

Martinique ist offensichtlich ein französisches Synonym für “Mehrrumpfboote”, die hier in beängstigender Anzahl ihre Charter-Heimat gefunden haben. Ich rede nicht von den teilweise winzigen, tapferen Kats, die ihren kleinen Crews lange, sichere und glückliche Reisen ermöglichen; nicht von den spartanischen Wharrham’s, leicht und schnell wie polynesische Proas; nicht von großen, anmutigen Outremer‘s, und schon gar nicht von den reinrassigen Rennmaschinen mit ihrem fast unvorstellbaren Speed. Die Rede ist von dem Riesenhaufen französischer Billig-Pontons mit senkrechten, grünen Fenstern, die hier den Traum vom Segelurlaub verkörpern sollen, und die jeden Samstag von unermüdlichen Marineros aufs neue repariert werden müssen.

Die durchschnittliche Charterwoche wird in fünf Phasen eingeteilt:

Phase 1) Ankunft der Crew, Bestaunen des gemieteten Riesenteils, aufgeregtes Feiern bis in den frühen Morgen der acht- bis zehnköpfigen Crews
Phase 2) Ablegen in freudiger Erwartung unter Vollzeug – bis sie aus der Abdeckung des Hafens kommen
Phase 3a) chaotisches Bergen der großen, schlagenden Tücher
Phase 3b) wie Phase 3a, jedoch zusätzlich mit Patenthalse; anschließend Motorfahrt mit ernsten Gesichtern in die vom Vercharterer empfohlene nahe Ankerbucht
Phase 4) Kurzstag-Ankern unter Kollegen, glückliches Baden und Grillen
Phase 5) Papierkram wegen der Versicherung…

Die ganze Diskussion über Ein- oder Mehrrumpfer ist selbstverständlich Unsinn und müßig. Verglichen mit der Adria sind die Ankerbuchten hier nie frei von Schwell und, während wir uns am Tisch oder Bett festhalten, schauen wir neidisch zu den anderen rüber, die davon nichts mitkriegen. Das eigentliche Problem ist die Optik – sie sind so abgrundtief SCHIACH!!!
Seenomadin Doris hat auf der Bootsmesse in Tulln auf die Frage, was ihr beim „idealen Fahrtenboot“ besonders wichtig wäre, gemeint, auch dessen Schönheit wäre entscheidend.

Lassen wir das mal so stehen.

Etwas profaner sieht das Kurt Reinke im Vorwort zu seinem Standardwerk „Yachtbau“: Katamarane sind nicht selbstaufrichtend, daher keine Yachten im Sinne der Definition und folglich kein Thema dieses Buches. Punktum!

Voodoochile wird weiterhin ihre rote Nase etwas verschämt zwischen diesen GFK-Träumen herausstecken, und wir werden uns weiterhin manchmal wünschen, aufrecht am Boot gehen zu können, uns im Bett nicht festhalten und wie die Affen durchs Cockpit turnen zu müssen. Dafür hat unser Boot aber auf der Unterseite des Rumpfes keine Luken zum Aussteigen….

Liebe Grüße
Peer
(Uli möchte sich von diesem Blödsinn lieber distanzieren)

Am Sonntag

…soll Kolumbus die Insel Dominica entdeckt haben. Daher der Name!

Rauschefahrt! Mit fünf bis sechs Beaufort von querab, mit einem Reff in allen drei Segeln und mit blankgeputzem Bauch, läuft VOODOOCHILE seit langem wieder einmal wie ein junges Pferdchen. Für die rund 50 Meilen von Le Gosier nach Portsmouth im Nordwesten von Dominica benötigen wir gerade mal siebeneinhalb Stunden. Für unsere Verhältnisse nenn’ ich das “Performance” (hier schmunzeln die Regattasegler wieder!).

Kaum haben wir das Kap der Bucht von Portsmouth gerundet, kommen uns die “Boys” in ihren tüchtigen Dinghies mit Vollgas entgegen und bieten ihre Dienste an: Muringboje, Landausflüge, einklarieren und alles, was man so braucht. Sie sind nett und verläßlich. Aufgrund einer Empfehlung von Freunden wenden wir uns an Martin mit seinem Boot “Providence”. Ein guter Entschluß, wie sich später zeigt.
Der Zufall will es, dass wir im “Österreicher-Eck” landen, neben zwei anderen weitgereisten Yachten aus unserem Alpenland, mit deren Crews wir angenehme Stunden verbringen.

Dominica erweist sich in den nächsten Tagen als die bisher vielleicht hübscheste Antillen-Insel, sofern man das überhaupt sagen kann. Möglicherweise mangels Alternativen setzt man hier auf nachhaltigen Tourismus. Das Ankern ist weitgehend verboten (man muss an eine billige Boje, um den Meeresboden nicht zu zerstören), den berühmten “Indian River” darf man nur mit Guide und nur rudernderweise besichtigen und die Insel durchzieht ein fast 200 km langer Weitwanderweg, für den man allerdings mindestens zwei Wochen benötigt. Außerdem befinden sich hier einige Drehorte von „Fluch der Karibik“. Natürlich springen wir von denselben Felsen in den Fluß wie seinerzeit Johnny Depp.

Der Regenwald ist trotz schon jahrzehntelangem, bescheidenem Tourismus kaum beeinträchtigt und die Infrastruktur insgesamt eher bescheiden. Die Einwohner sind ausnehmend freundlich, das Betteln und Feilschen hält sich in Grenzen und alle Leute erkundigen sich nach unserem Befinden. Offenbar Befehl von ganz oben. Einige der “Boys” und Fremdenführer haben sich zu einer Organisation namens PAYS zusammengeschlossen, um die Sicherheit aller Yachties und eine gewisse Qualität im Tourismus zu gewährleisten. Es funktioniert offenbar! Außerdem veranstalten sie für die zahlreichen Crews jeden Sonntag ein Barbecue, damit diese sich untereinander kennenlernen können. Aus diesem kleinen aber offensichtlichen Erfolg der Leute von PAYS (die nebenbei übrigens auch für winzige NGO’s arbeiten und Spenden für ein Heim für mißhandelte Kinder sammeln) entsteht aber auch etwas Eifersucht unter den anderen Barbetreibern, die sich abends durch fast unerträglich laute Strandmusik aus ihren Subwoofern bemerkbar machen. Leider! Wenn’s täglich ist, dann kann es einem die Ankerbucht ganz schön vermiesen.

Das heute unabhängige Dominica blickt natürlich auch auf die übliche Geschichte mit Zuckerrohr und Sklaven zurück und entwickelt sich langsam, aber – wie wir glauben – in die richtige Richtung. Die Fahrten ins Hinterland sind einfach toll. Nach ein paar Tagen wechseln wir in die Bucht der Hauptstadt Roseau, im Südwesten, wo das Schnorcheln an der Riffwand von Scott’s Head, sowie das Klettern in den Wasserfällen der Gorge Titou zu unvergeßlichen Momenten werden. Im hiesigen Hotel “Anchorage” ist ein Skelett eines Pottwals ausgestellt, der vor einigen Jahren angespült wurde, ein anderer – lebender – ist angeblich hier in der Bucht Stammgast.

Martin, ein gelernter Botaniker, erklärt ausgiebig Fauna und Flora, sowie alle essbaren Gewürze, Obst- und Gemüsesorten, und wie man damit kocht. Alle Dominikaner scheinen sich mit dem langfristigen Erhalt ihrer Heimat zu identifizieren, und wir wünschen ihnen dabei viel Glück. All unsere Seglerkollegen möchten wir bitten, sich dabei durch die Inanspruchnahme der hier zu vernünftigem Entgelt angebotenen Dienste zu beteiligen.

Dominica ist was ganz Besonderes, und so ganz anders, als das “europäische” Guadeloupe. Dennoch fahren wir jetzt wieder in die EU weiter – nach Martinique.

Liebe Grüße inzwischen
Uli & Peer

Wie ein Schmetterling

sieht die Insel Guadeloupe von oben aus…

…wobei noch zu klären wäre, warum der westliche Flügel, der mit den hohen Bergen, “Basseterre”, also niedriges Land, und der östliche, kleinere Teil “Grande Terre” genannt wird.

Wie auch immer – manchmal bleiben die Franzosen rätselhaft. Insgesamt haben wir die Grande Nation aber immer schon gemocht und verehrt und wir genießen daher den Aufenthalt hier. Natürlich schadet’s im Großraum Frankreich nicht, ein wenig Französisch zu können – das kennt ihr ja sicher.

Der Preis für ein Monat im Hafen “Bas du Fort” ist sehr fair, wir treffen mehrere alte (Andrea und Isa mit ihrer schönen “Creuza di Mä”, Herbert und Petra mit ihrer genialen Ketsch “Kallisto”, Jürgen mit seiner etwas gebeutelten “Hanta Yo”) und auch neue Freunde aus aller Herren Länder, manche mit Kurs Panama, Trinidad oder Norden, manche bereiten mit Herzklopfen die Rückreise nach Europa vor.

Auf Voodoochile stehen etliche Reparaturen an, wofür es hier in Pointe a Pitre gute Möglichkeiten gibt. Da Uli mit vollem Terminkalender heimfliegen muß (übrigens – sollte jemand von Euch überlegen – nur knapp 400,- Euro bis Paris und zurück), bleibe ich die nächsten vier Wochen allein am Boot und versuche, mich sinnvoll zu beschäftigen. Restaurants und vor Allem Tschik sind zu teuer (Marlboro 7,30 EUR!), also gibt’s Dosenfutter und teilweise Wuz’ltabak. Zum Kochen bin ich ohnehin zu faul.

Es ist schön, wenn die Crew dann wieder vollzählig ist! Erstaunlich, wie gut einer Beziehung nach langer Zeit auf engem Raum ein kurzes “Auslüften” tut. Zu Hause läuft alles gut und wir feiern ein bisschen!

Jetzt wollen wir aber die Insel kennenlernen und mieten für drei Tage ein kleines Auto. Im Westen gibt’s hohe Berge, im fast ununterbrochenen Wolkenstau und daher sehr feucht, mit wunderbarem Regenwald und vielen traumhaften Wasserfällen zum Baden. Natürlich ist man nicht allein hier, aber es geht sich für alle aus. Genau zum richtigen Zeitpunkt wird plötzlich sogar der fast 1.500 m hohe Gipfel des Vulkans “La Souffriere” wolkenfrei. Wir ändern sofort unsere Route und fahren bzw. gehen fast ganz hinauf. Beeindruckend!

Das Bild vom Kindergarten entstand – natürlich ungewollt und naiverweise – illegal, denn das Fotographieren von Kindern ist auf allen Inseln hier weder erwünscht noch erlaubt – aus Angst von Pädophilie!

Der Ostteil der Insel, vom Rest durch einen Fluß mit Mangrovenufern getrennt, ist relativ flach und häufig von Zuckerrohrfeldern bedeckt. Lediglich die äußersten Kaps zeigen steile Klippen oberhalb der Atlantikbrandung. Es gibt hier viele Kilometer von langen, einsamen Stränden, ein paar touristische Orte und Naturschutzgebiete. Alle Straßen sind so gut wie in Europa.

Pointe a Pitre selbst (übrigens nicht die Hauptstadt!) verbindet irgendwie den Grind von karibischen Slums und europäischen Plattenbauten aus den Achzigerjahren. Nicht ganz so toll. Außer chinesischen Dessous, einem Trödlerladen für Bootsklumpert und dicke, freundliche, braune Damen, die hier auf den Zufahrtsstraßen jeweils zu zweit mit ihrem Strickzeug auf Freier warten, gibt’s wenig Highlights. Eric, ein örtlicher Spezialist für Yachtelektronik, den wir durch Zufall kennenlernen, läßt es sich nicht nehmen, mit seiner Freundin auf Voodoochile für uns Samoussa zu kochen, eine Spezialität aus Mauritius.

Da wir immerhin schon April haben und es bis Trinidad vor Venezuela noch weit ist, müssen wir trotz der Schönheit Guadeloupes langsam wieder in die Gänge kommen. Für die Hurrikan-Saison im kommenden Sommer haben wir in Trinidad einen sicheren Platz in einer Werft reserviert und sollten bis Ende Juni dort sein.

Bei der Abfahrt gibt’s wieder einmal viele winkende Freunde. Da unsere Backbordmaschine immer ernsthaftere Symtome eines Hinterwand-Infarktes zeigt, motoren wir mit dem rechten Motor sehr langsam bis zum vorgelagerten Inselchen Ilet de Gosier, wo wir noch einmal ankern und Uli mit dem Tauchgerät (nochmals danke, Pidi und Ali!) das ganze Unterwasserschiff putzt.

Schau’mer mal, ob wir morgen nicht doch einmal Halbwind nach Dominica bekommen.

 

Liebe Grüße

Uli & Peer