…oder wie VOODOOCHILE die Algen am Bauch loswurde
Seit langem schon wollten wir einmal gemeinsam segeln, es hat aber nie so recht gepasst. Jetzt ist es auf einmal soweit. Unsere vier Freunde haben zu Hause spontan alles liegen und stehen gelassen und kommen per Flieger nach Jerez. Abgesehen von der Aussicht auf schöne gemeinsame Tage bedeutet das für uns auch viel leichtere Nachtwachen auf der doch langen Strecke.
Klaus und Franzi, beide selbst Yachties und langjährige Segler, sind zuerst da. Nach freudiger Begrüßung und einigen Cruzcampos wandern wir zum ALDI, um ein paar Regale leerzukaufen. Einige Kisten werden im Bauch von VOODOOCHILE verstaut; danach gibt’s gemütlichen Tratsch mit Mosquito-Gesang. Wofür genau sind diese Tiere eigentlich gut?
Am nächsten Tag stehen Pidi und Ali vor der Tür. Mit irgendwelchen fadenscheinigen Vorwänden haben sie sich Urlaub genommen und sind noch ziemlich verschlafen. Dank ihnen wird das Durchschnittsalter auf VC wieder deutlich aus dem Geriatriebereich gedrückt. Auch sie haben jede Menge Segelerfahrung, was die Einweisung stark verkürzt.
Wir genießen ein letztes Abendessen in der belebten Altstadt von Puerto Santa Maria. Beim Anblick der vielen aufgebrezelten Teenies, die hier den Schulschluß feiern, hätte wahrscheinlich seinerzeit auch Cristobal Colon seine Abfahrt verschoben.
Sobald es die Tide zuläßt wollen wir los. Der Wetterbericht kündigt für die nächsten 30 Stunden Starkwind aus NE an. Da der Levanter vor der Straight aber anhalten soll und die Windrichtung ja stimmt, hat warten keinen Sinn und früh am Morgen werfen wir die Leinen los. Zum ersten Mal gibt’s Probleme mit dem Backbord-Motor, der irgendwie nicht in die Gänge kommen will. Nach der letzten Einfahrtstonne setzen wir Segel und prompt frischt auch der Wind immer mehr auf. Gegen Abend haben wir schon 30 Knoten aus Nordost, der Seegang wird höher, bald aber auch länger. Zum siebenten Mal segle ich jetzt in diesem Gebiet, und jedesmal war’s anders. Alle gewöhnen sich schnell an die starken Bootsbewegungen und VOODOOCHILE’s eher träges Verhalten am Ruder.
Die Wache während der Nacht wird in drei 2-Stunden-Teams eingeteilt, Pidi und Ali, Franzi und Klaus, Uli und ich. (Wir behalten das System später bei, da es sich gut bewährt hat). Nach jeweils vier Stunden Schlaf sind wir recht ausgeruht, was auch gut ist, denn das Steuern bei mittlerweile gut vier Meter Welle ist anspruchsvoll.
Im Morgengrauen die erste Sensation: wir rauschen mit stark gerefften Segeln dahin (max. Speed 10,4 kn!), als eine Schule von großen Walen knapp vor dem Bug unseren Kurs kreuzt. Einige Male sehen wir ihre runden Rücken im aufgewühlten Meer. Wir sind tief beeindruckt!
An diesem Abend – der Luftdruck ist etwas gefallen – flaut der Wind auf etwa 20 kn ab, die See geht noch hoch, insgesamt wird’s aber handiger. Da der Bericht – wie immer – schon wieder zu lang wird, werde ich die nächsten Tage zusammenfassen: lachen, quatschen, gut kochen (Franzi, Uli), jederzeit Capucchino (Klaus), mal segeln, mal motoren, Musik, an Bord alles wohl! Wegen der bei achterlichem Wind üblichen Rollerei streiten wir in der Nacht um die ruhigsten Schlafplätze – irgendwo am Boden! Uli schlägt – zusammen mit ihrem Ipod – alle Rekorde beim Steuern.
Unglaublich: die ersten vier Tage lang sehen wir jeden Tag große Wale!!! Über Delphine will ich gar nicht reden. Nie vorher erlebt habe ich auch, dass uns ein Schwarm kleiner Thunfische (vielleicht Bonitos?) einen ganzen Tag rund ums Boot begleitet hat. Mit einem Netz hätten wir vielleicht einen gefangen, mit der Schleppleine haben wir nur Chaos angerichtet.
Wegen der nervigen Rollbewegungen ändern wir zeitweise den Kurs in Richtung afrikanischer Küste und kreuzen vor dem Wind; auch kommen die Segel in windschwachen Phasen öfter mal back. Eine weitere Sensation war, dass es Klaus gelungen ist, den neuen Autopiloten richtig einzustellen (Seegangsfilter auf 7). Was für eine Wohltat für alle, von dem blöden Rad endlich wegzukommen. Jetzt funktioniert das Ganze recht ordentlich. Das Bier wird knapp, aber die Moral ist noch gut…
Landfall! Nach fünfeinhalb Tagen kommt im Dunst Lanzarote in Sicht – schon ein kleines Ereignis! Dicht unter Land frischt der Wind noch einmal ordentlich auf (gut 30 kn; das Handbuch warnt vor diesen typischen “acceleration zones” der Kanaren). Im zweiten Reff laufen wir den PUERTO CALERO an, eine der bestgeführtesten Marinas, die ich bis jetzt kenne. Drei Volvo-Ocean-Race-Teams sind hier stationiert, alles ist sauber, die Leute äußerst zuvorkommend. Jetzt gibt’s einmal Bier und Dusche – und zehn Stunden Schlaf am Stück! Rund 680 Meilen waren es bis hierher, unser Tempo war nicht berauschend aber ganz ok. Alle gesund und munter.
Am nächsten Tag stellen wir beim Tauchen fest, dass wir – offensichtlich schon in Cadiz – ein Fischernetz im BB-Propeller gefangen haben. Ali, Uli und ich säbeln mühsam das verschweißte Plastik von der Welle. Deshalb die Motorprobleme!
Abends laufen wir wieder aus, zu den letzten 110 Meilen nach Gran Canaria. Bei “umlaufender Flaute” setzen wir übermütig alle vier Segel. Bis diese endlich stehen fahren wir einen Vollkreis…. naja! Für Fotos reicht’s.
In der Nacht fängt’s wieder zu blasen an, wir werden wieder durchgeschüttelt, sind gegen Morgen dafür aber wieder schnell unterwegs. Wieder viele Delphine! Um 1430 kommen die ersten Konturen von Gran Canaria in Sicht und wir segeln bis in den großen Hafen von Las Palmas, im Nordosten der Insel.
Immerhin fast 800 Meilen, und alle gut drauf! Herzlichen Dank an die Crew für die schöne Zeit, das kompetente Segeln, den guten Schmäh und die ausführlichen Erzählungen von zu Hause. JEDERZEIT WIEDER!!!!
Liebe Grüße
Uli & Peer