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Carloforte, ein Platz zum Bleiben

…es sei denn, man ist ein Thunfisch

 

Die folgenden paar Updates sind ein Rückblick auf die vergangenen zwei Wochen – was der Geschichte vielleicht ganz gut tut. Es war intensiv und aufregend, meist in positivem Sinn, aber nicht immer.

Carloforte wird für uns immer in guter Erinnerung bleiben. Ein kleines Städtchen auf der Insel San Pietro, an der Südwestecke von Sardinien gelegen. Extrem freundliche Leute, malerische Gassen mit bunt bemalten Häusern, kaum Touristen um diese Jahreszeit, viele Fischer, der lustige, unverständliche genuesische Dialekt der Menschen (die Bewohner wurden einst aus dem Raum Genua hierher gesiedelt), der eher ans Portugiesische erinnert und von dem wir kaum ein Wort verstehen können, und immer irgendwie das Gefühl, an einem weit vom bekannten Europa entfernten, vergessenen Ort zu sein.

 

Es ist spätsommerlich, abends schon kühler. Unsere Domina, der Wetterbericht, verordnet uns eine Pause von drei Tagen bis zur nächsten Überfahrt. Wir nehmen sie gerne, wenn auch mit schlechtem Gewissen. Der “Schwarze Mann” heißt hier Mistral, ein gefürchteter, teils stürmischer Nordwind aus dem Golfe de Lyon, nach dem sich das Leben der Fischer richtet und vor dem auch wir natürlich großen Respekt haben. Wir lernen Nicola, den hilfsbereiten Marinachef, kennen, sowie später auch den Tankwart der Stadt, dem es nicht zu blöd ist, sich einige Kanister auszuborgen und uns mit seinem Vespa-Dreirad persönlich 300 Liter Diesel zum Boot zu bringen. Alles dreht sich hier um den Thunfischfang  (angeblich jetzt nur mehr mit Langleinen), jedes Lokal serviert Thun und es gibt sogar eine Fachhochschule für dieses Gewerbe. Das Tüpfelchen auf dem I liefert aber der Besitzer eines Delikatessengeschäftes mit angeschlossenem, ausgezeichnetem Imbisslokal (Spezialität: Thunfisch in jeder Form), der uns von der Straße hereinholt, und uns stolz seine jüngste Kreation zum Kosten anbietet: Brotaufsstrich aus Thunfischeiern und Schokolade! Carloforte-Nutella also!

 

Sehr sehenswert sind auch die ehemaligen Salinenbetriebe, die heute ein Naturschutzgebiet bilden und viele Tierarten beheimaten.

Schade! Es wäre so schön, hier zumindest einen Winter zu verbringen – vielleicht sogar längere Zeit. Es ist einfach so sympathisch hier.

What shall’s!

Nur 40 Stunden bleiben uns, um vor dem nächsten Tief auf die Balearen zu kommen.

Am Mittwoch, dem 26.9.2012 machen wir die Leinen los mit Kurs WNW

 

Liebe Grüße an Alle

Uli & Peer

Cefalu revisited

…30 Jahre nach Club Med

 

Am Morgen zeigt sich, wie schön die Bucht östlich der Stadt ist. Bizarre Felsen, klares Wasser, hohe Berge dahinter. Wir verlegen VOODOOCHILE an einen Ankerplatz und machen uns auf die – wie immer vordringliche – Suche nach dem Wetterbericht (sprich Internetzugang). Diesen finden wir, neben überteuerten Drinks, im schönen Hotel „Le Calette“, oberhalb der Bucht.

Eigenartig: obwohl die Wettervorhersagen in meinen nun doch schon einigen Segeljahren noch nie so falsch waren, und wir uns erst daran gewöhnen müssen, mit ganz anderen als den angekündigten Bedingungen konfrontiert zu werden, klammert man sich daran und räumt dem Wetterbericht höhere Priorität ein als Wasser, Lebensmitteln oder Diesel. Naja!

Nach längerer Siesta rudern wir an Land. Das Städtchen ist sehr touristisch, aber einmalig schön, mit seinen schmalen Gassen und dem bunten Treiben. Eine uralte Siedlung, teilweise 500 Jahre v. C. entstanden. Es fällt auf, dass man von keinem Platz in der Stadt das Meer sehen kann, nicht einmal von der höher gelegenen Kathedrale. Am Domplatz singen zwei ältere sizilianische Guitarreros (Telecaster und Les Paul) schöne Duette. Das hilft über die Aussicht auf einen 5 km Fußmarsch mit 20 Kg Lebensmitteln hinweg. Wir wollen früh in die Kojen, denn am nächsten Tag starten wir zu unserer bisher längsten Etappe, 300 Seemeilen nach Sardinien (drei Tage und zwei Nächte).

 

Anker auf bei Sonnenaufgang und los geht’s. Es wird schon merklich später hell; der Herbst kommt und wir stehen weiter im Westen. Endlich können wir wieder alle Segel setzen, wenn auch nur für einige Stunden. Uli kocht – wie immer – hervorragend und die erste Nacht ist bald vorbei. Es ist warm und extrem feucht.

Am nächsten Tag ist unser 28. Hochzeitstag, ein Anlaß für längeres Tratschen und eine Flasche Champagner. Keinen Tag möchte ich missen! Wir denken an die Kinder und an unsere Freunde, und an die letzten drei Jahrzehnte…

Gegen Morgen der zweiten Nacht, schon in Sichtweite der Leuchtfeuer von Sardinien, nimmt der Wind langsam aber ständig zu. Die Seenomaden haben uns vor dem berüchtigten Kap-Effekt vor der Südspitze Sardiniens gewarnt. Binnen einer Stunde haben wir Windstärke 5+ und fast drei Meter Welle, glücklicherweise beides von hinten. Erstaunlicherweise dreht der Wind um fast 100 ° mit unserem Kurs mit und schiebt uns mit 7 bis 8 Knoten um die Ecke. Wir kreuzen den Kurs eines österreichischen Katamarans, der heftig gegenan zu kreuzen versucht, und dessen Namen wir leider nicht erkennen können.

Unsere Freunde Andi & Kudi von der „Uhuru“ haben uns Carloforte auf der Insel San Pietro ans Herz gelegt, und auch Heinz hat es hier, auf seiner seinerzeitigen Abenteuerfahrt über Algier, sehr gut gefallen. Wir konzentrieren uns bei der Ansteuerung durch sehr seichte Gewässer und legen am frühen Nachmittag am Steg von Nicola (Marineservice) an, der uns sofort begnadigt (20,- EUR/Tag!).

Jetzt aber pennen!

Liebe Grüße an alle

Uli & Peer

Scylla und Charybdis

…geheimnisvolle Strudel und ein neues Meer

 

Die alte Dünung der vergangenen stürmischen Winde im Golf von Taranto beutelt uns noch einigermaßen, nachdem wir im Morgengrauen gemeinsam mit „Rose“ und „Sibiria“ die Leinen losgemacht haben, alle mit Kurs Südwest. Bald runden wir (zum zweiten Mal) das Cap Colonne und am Nachmittag verschwindet „Rose“ voraus und „Sibiria“ achteraus auf der Kimm. Es ist fast windstill und der Seegang hat deutlich nachgelassen. Es wird eine ruhige, gemütliche Nacht, und da wir nicht steuern müssen, kommen wir doch abwechselnd zu einigem Schlaf. Leider läuft größtenteils die Maschine mit.

Um 0300 biegen wir in die Straße von Messina ein, und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich um Haaresbreite in die Netze einer großen Fischfarm gelaufen wäre, wenn nicht die kümmerlichen Leuchten im letzten Augenblick zu sehen gewesen wären. Im Handbuch ist das Hindernis – wie sich später herausstellt – sehr wohl erwähnt. Man soll halt doch sorgfältiger vorbereiten!

Je schmäler die Wasserstraße wird, desto mehr Schiffsverkehr beschäftigt uns. Die Landschaft auf beiden Seiten ist grandios, und bei Sonnenaufgang gelangen wir in die berühmten Strudel, von denen uns Heinz und andere erzählt hatten. Das Ionische und das Tyrrhenische Meer, mit ihren unterschiedlichen Temperaturen und Dichten, vermischen sich hier vehement, und jetzt, bei Neumond und Springtide, kommt auch noch starke Strömung dazu. Etwas unheimlich ist es schon und an einigen Stellen ist das Kurshalten unmöglich. Die vielen Delphine rundum kümmert’s kaum.

 

Das Wetter ist gut und wir sind fit. Also beschließen wir, auf Lipari zu verzichten, noch 50 Meilen nach Westen draufzulegen, und Cefalu an Siziliens Nordküste anzulaufen.

Da passiert das große Ereignis: „Here she spouts!!!“ hätte Melville seine Protagonisten rufen lassen. Knapp 100 Meter vor uns taucht ein großer Wal auf, bläst mehrmals und zeigt schließlich sogar die riesige Schwanzflosse. Wie auf den Azoren gelernt, ändern wir den Kurs, um uns nicht von hinten zu nähern und den Wal dadurch zu erschrecken. Leider taucht er dann ab und kommt nicht mehr wieder.

Lange haben wir darauf gewartet!

Um 0100 steuern wir den Hafen von Cefalu an (probeweise mit C-Map als Backup). Relativ einfache Übung. Wir haben keinen Bock mehr, noch lange nach dem Idealplatz zu suchen und gehen am Versorgungssteg längsseits.

Eine großartige Etappe!

Liebe Grüße an alle

Uli & Peer

Noch ein kurzer Rückblick

 

…nur weil es noch einmal besonders nett wurde

 

Wir glaubten, in Sachen Crotone das Wichtigste durchgegeben zu haben, durften später aber noch einige interessante Leute kennenlernen, über die wir noch kurz berichten möchten. Da war zuerst Andy, ein kroatischer Profiskipper, der uns laut rufend zu einem erstklassigen Glas Wein auf die 24 m Luxusyacht „Rose“ eingeladen hat. Er war dringend auf der Suche nach einer Crew für die Weiterfahrt nach Sizilien, aber sein Chef, der rumänische Eigner, war so knausrig, dass sich niemand für diesen Job hergeben wollte. Andy vermisste seine Kinder daheim und hätte gerne für einen Eigner gearbeitet, der andere Menschen nicht so respektlos behandeln würde.

Dann trafen wir ein sehr nettes älteres Ehepaar aus Deutschland, deren Namen wir leider nie erfahren haben, auf ihrer stählernen Colin Archer „Hamburg“. Sie waren freundliche Nachbarn.

Etwas vom Wind zerzaust lief des Nachts die schöne alte 15-Meter-Slup „Sibiria“ ein, mit Skipper Lui und der sehr jungen Barbara, beide aus Wien, mit denen wir abends essen gingen. Lui hat 15 Jahre in Kanada gelebt, war überall zu Hause und erzählte abenteuerliche Geschichten. Seine beiden großen Schäferhunde, die praktisch die Kojen mit der Crew teilten, ließen dieses Boot auch nicht angepaßter wirken. Etwas anders, aber sehr feine Leute, wobei Barbara sich noch an einiges gewöhnen wird müssen.

 

Zuletzt wollen wir auch noch Pasquale vom YACHT KROTON CLUB erwähnen. Er empfing uns aufs Freundlichste, beriet uns hinsichtlich der Vertäuung in diesem stürmischen Hafen, schenkte uns ausgediente Leinendämpfer und erkundigte sich laufend nach unserem Befinden. Den ausverhandelten Preis für den Liegeplatz dürfen wir nicht verraten, aber jeder Segler tut gut daran, im YKR eine Rast einzulegen. Laßt Pasquale ganz herzlich von uns grüßen!

Übrigens hat hier in Crotone Pythagoras gewirkt und gelebt, und von hier aus seine Lehren der Mathematik, Geometrie, Philosophie und Sittlichkeit verbreitet. Laut Reiseführer soll es hier auch die hübschesten Frauen und „agilsten“ Männer geben!

Nun wartet wieder eine längere Etappe auf uns; wir wollen durch die Straße von Messina und dann noch ein Stück nach Westen, vermutlich auf die Insel Lipari.

Liebe Grüße an alle

Uli & Peer

Gregor und der Autohelm 4000

…oft sind es die kleineren Dinge, die einem das Leben wirklich leichter machen

 

Über 30 Jahre war Gregor (natürlich mit seinen lieben Eltern und Schwestern) ein feiner Nachbar und Freund von uns in Laßnitzhöhe. Auch wenn wir nicht jeden Tag Kontakt haben, so war ein Besuch von oder bei ihnen jedesmal eine Freude. Als Eigner einer Yacht und leidenschaftlicher Segler weiß er natürlich, worauf’s wirklich ankommt. Am letzten Tag vor unserer Abreise von Graz hat er uns ein ganz besonderes Geschenk gebracht, das er selbst einem Freund (unbekannterweise vielen Dank auch an ihn!) für uns abgeluchst hat: einen Autopiloten! Dem fehlen zwar beim Segeln etwas die PS, aber unter Maschine oder Leichtwind steuert er VOODOOCHILE verläßlich und wir können daher unterwegs wieder pinkeln gehen oder Kaffee kochen.

Was das bedeutet, können alle Segler, die Nächte am Ruder verbracht haben, sicher ermessen.

Ganz herzlichen Dank, Gregor, und ein ewiges “Fair Winds”

Uli & Peer